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Die Sprache der Macht

Die Sprache der Macht

Titel: Die Sprache der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Noellke
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Vorgehen konzentrieren, denn hier kommt die Sprache der Macht zum Tragen, während die erste Verhaltensweise mit dem Thema Willensbildung zu tun hat.
    Die eigene Position aufwerten
    Wenn jemand einen Wert ins Spiel bringt, dann geschieht zweierlei: Er signalisiert, dass ihm die betreffende Angelegenheit sehr wichtig ist. Und er wertet sich selbst auf. Sein Ziel ist etwas höchst Respektables und so strahlt der Wert auf seine eigene Person ab. Zugespitzt lautet die Botschaft: Ich bin gut; teile meine Position, dann bist du auch gut.
    Es muss allerdings sprachlich zum Ausdruck kommen, dass es um Werte geht. Dies kann geschehen, indem man den Wert einfach beim Namen nennt: „Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, ob Frau Miklosch zum Seminar fahren darf.“ Wenn ich so etwas äußere, wissen alle: Die Angelegenheit ist mir ernst. Egal, ob ich der Ansicht bin, Frau Miklosch solle zum Seminar fahren oder gerade nicht. Wer eine abweichendePosition vertritt, wird von mir für „ungerecht“ gehalten. Zugleich gebe ich mich als Vorkämpfer für die Gerechtigkeit zu erkennen.
    „Hoch die internationale Solidarität!“
    Im linken Umfeld sehr beliebt ist der traditionsreiche Schlachtruf von der „internationalen Solidarität“. Auch hier wird ein Wert reklamiert, der die eigene Position mit einer gewaltigen Bedeutung auflädt. Ob gegen Studiengebühren demonstriert oder ein Parteitag eröffnet wird, stets geht es um den weltweiten Kampf gegen Ausbeutung. Und wir stehen auf der richtigen Seite.
    Oft ist es jedoch gar nicht nötig, sich direkt auf den Wert zu beziehen. Ich kann auch auf andere Art zeigen, was hier auf dem Spiel steht: durch bestimmte Signalwörter, die mit dem Wert eng verbunden sind, oder durch eine Formulierung, die ins Allgemeingültige weist und zum Ausdruck bringt: Um diese hehren Ziele geht es.
    „No child left behind“
    US-Präsident George W. Bush rief die Initiative „No child left behind“ ins Leben, um die Qualität der Schulen zu verbessern. Das Konzept umfasste Tests, um die Leistungen der Schulen zu überprüfen; die Eltern sollten die Schule frei wählen können. So genannte „Bildungsgutscheine“ sollten dafür sorgen, dass sich jeder seine Ausbildung bedarfsgerecht selbst zusammenstellen konnte. Erst durch den Titel („kein Kind darf zurückgelassen werden“) erhielten diese Maßnahmen ihre Bedeutung. Eine Initiative „pro Bildungsgutschein“ wäre völlig anders aufgefasst worden. Sie hätte keinen Bezug zu einem Wert erkennen lassen.
    Je enger ich die Verbindung zwischen dem Wert und meiner Position ziehen kann, desto mehr wertet mich das auf und desto weniger angreifbar werde ich. Denn wenn Sie mich kritisieren, gefährden Sie ja die gute Sache. Sie pfeifen auf das Gerechtigkeitsprinzip, Ihnen ist es egal, ob Ausbeutung die Welt regiert oder Schulkinder „zurückbleiben“.
    Wenn Sie nicht ebenfalls auf dem Register der Werte spielen, haben Sie keine Chance. Sie müssen sich meiner Position anschließen oder ich werde Sie aus der „Wertegemeinschaft“ ausstoßen. Das kann bedeuten, dass ich nicht länger mit Ihnen kooperiere und Sie gegenüber anderen abwerte. Kurz gesagt: Sobald es um Werte geht, werden die Einsätze erhöht. Konflikte können leichter eskalieren.
    Da hilft es Ihnen auch nicht viel, wenn Sie sich auf einen anderen Wert berufen, zum Beispiel Respekt statt Gerechtigkeit. Oder Freiheit statt Gemeinsinn. Damit verhärten sich nur die Fronten. Und es bleibt dabei: Ich kann Ihnen noch immer vorhalten, dass Gerechtigkeit für Sie „nicht zählt“ (während Sie mir unterstellen, dass ich Ihren Wert nicht genügend respektiere).
    Sie können allenfalls in eine Debatte über den von mir ins Feld geführten Wert einsteigen, also beispielsweise eine Debatte darüber, was denn im vorliegenden Fall „gerecht“ ist. Wir kommen darauf zurück (→ S. 162, „Werte konkretisieren“). Allerdings sollten wir uns klarmachen: Wer sich auf Werte beruft, ist nicht unbedingt auf Konflikt und Ausgrenzung aus. Sehr oft ist das Gegenteil der Fall: Wir sollen vereinnahmt werden, freudig zustimmen und gerade nicht in eine Debatte eintreten. Wir sollen dem Willen des andern folgen – ohne Widerstreben.
    Achtung: Einladung in die „Wertegemeinschaft“
    Werte zu teilen, verbindet. Insoweit geht ein starker Sog davon aus, wenn jemand, den wir für mächtig halten, seine Position mit einem respektablen Wert begründet. Wir stimmen zu und nehmen an, wir säßen in einem gemeinsamen

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