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Die Sprache der Macht

Die Sprache der Macht

Titel: Die Sprache der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Noellke
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wenn die Metapher für die eigentliche Botschaft zu einem einprägsamen Markenzeichen werden kann.
    Das „Erdnussbutter-Manifest“
    Brad Garlinghouse, höhere Führungskraft beim Internetunternehmen Yahoo, war unzufrieden mit der Geschäftsstrategie. Er hatte eine ganz Reihe von Verbesserungsvorschlägen entwickelt. Doch stellte sich ihm die Frage, wie er die Aufmerksamkeit des Topmanagements finden könnte. Er verfasste ein vierseitiges Dokument und gab ihm den ansprechenden Titel: Das „Erdnussbutter-Manifest“. Darin erklärte er im Einzelnen seine Kritik und verglich die aktuelle Strategie des Unternehmens mit dem Versuch, auf die „Myriaden von Möglichkeiten in der Online-Welt die immer gleiche Erdnussbutter“ zu streichen. Das Ergebnis: „eine dünne Schicht“ liege über allem, es seien keine Schwerpunkte erkennbar. „Ich hasse Erdnussbutter“, bekannte Garlinghouse. „Wir alle sollten es tun.“ Das Manifest hatte durchschlagenden Erfolg. Ihm wurde so viel Aufmerksamkeit zuteil wie keinem anderen vergleichbaren Schriftstück. Nicht nur das Topmanagement wurde auf das „Manifest“ aufmerksam; es schaffte es sogar auf die Titelseite des Wall Street Journal. Ohne „Erdnussbutter“ wäre das gewiss nicht gelungen.
    Zwei Anmerkungen hierzu: Die Metapher von der Erdnussbutter ist an den US-amerikanischen Kulturkreis gebunden. Im deutschen Sprachraum vermittelt sich der Widerwille gegen den allgegenwärtigen Brotaufstrich weit weniger. Hier hätte Garlinghouse eine andere Metapher wählen müssen und vielleicht ein „Tütensoßen-Manifest“ geschrieben. Zweiter Punkt: Überraschende Metaphern sollte man nur sparsam und sehr gezielt einsetzen, um die Aufmerksamkeit auf wesentliche Dinge zu lenken. Sonst nutzt sich der Effekt sehr schnell ab. Ein „Bierdosen“-, „Bratwurst“- oder „Bärlauch-Manifest“ würde es als Nachfolger der „Tütensoße“ vermutlich nicht einmal in den Lokalteil einer Provinzzeitung schaffen.
    Die Reichweite von Metaphern
    Wir haben es angesprochen: Metaphern beziehen sich immer nur auf einen bestimmten Teilaspekt, nämlich auf das, was vergleichbar ist. Alles andere fällt unter den Tisch. Was unser Beispiel mit der Erdnussbutter betrifft, so ist die Vergleichbarkeit äußerst begrenzt. Es geht nur um das Gefühl des Angewidertseins, das sich einstellt: a) wenn alles mit Erdnussbutter bestrichen wird, und b) wenn die eigene Firma keine klaren Prioritäten setzt und unterschiedliche Geschäfte nach der gleichen Methode angeht.
    Eine solche Metapher mag uns zwar zum Schmunzeln bringen, aber sie reicht nicht sehr weit (oder nicht sehr tief, je nachdem, in welchem Deutungsrahmen wir uns bewegen). Für die Sprache der Macht von besonderem Interesse sind allerdings Metaphern mit einer größeren Reichweite. Denn diese nehmen sehr viel stärkeren Einfluss auf unser Denken. Eine größere Reichweite heißt, dass vor unserem geistigen Auge ein komplexeres Bild entsteht. Der Vergleich betrifft nicht nur eine Einzelheit (die damit auch abgehakt ist), sondern bezieht sich auf mehrere Faktoren.
    Karrierewege
    Eine weit reichende Metapher ist die berufliche „Laufbahn“. Wir beschreiben die beruflichen Stationen, die jemand „durchläuft“, als Fußmarsch, den er zurücklegt. Als Fußmarsch in ansteigendem Gelände, man könnte fast sagen: als Bergwanderung. Denn das Ziel ist der berufliche „Aufstieg“. „Abstiege“ sind ebenso zu vermeiden wie „berufliche Sackgassen“, die uns nicht „weiterführen“. Allerdings sind auch die höheren Positionen nicht ohne Risiko. Dort ist die „Luft sehr dünn“. Und schließlich braucht man für den Weg an die Spitze eine zuverlässige „Seilschaft“. Wenn die versagt, wird sie zur Belastung und zieht einen nach unten.
    Eine Metapher mit großer Reichweite bringt uns dazu, weitere Schlussfolgerungen zu ziehen. Wir tauchen förmlich in das Bild ein, uns erschließen sich Entsprechungen, die uns zu einer neuen Sichtweise führen und manchmal auch zu neuen Ideen. Solche Metaphern können außerordentlich inspirierend sein. Zumindest, wenn sie neu für uns sind (was bei der „Laufbahn“ ja nun nicht der Fall ist).
    Allerdings haben diese Metaphern auch eine Kehrseite: Sie können eine Eigendynamik entwickeln und uns zu Schlussfolgerungen verleiten, die dem ursprünglichen Problem nicht mehr gerecht werden. Gerade weil sie so gut zu passen scheinen, machen sie uns blind für eine andere Sichtweise. So könnte man sich fragen,

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