Die Sprache der Macht
allem fürselbstgebastelte Metaphern, die erst einmal auf die Zuhörer wirken müssen. Entwerfen Sie zum Beispiel das Bild einer Schiffsreise, um ein Team auf ein gemeinsames Projekt einzuschwören, dann wird das Bild schief, wenn sich einzelne Teilnehmer zeitweise gar nicht an Bord befinden, sondern „auf einem andern Dampfer“ unterwegs sind. Ein ähnlicher Effekt tritt ein, wenn Sie die Mitglieder der Crew durch einen metaphorischen Sturm segeln lassen, um sie einen Halbsatz später zum Tauziehen zu schicken: „Jeder muss in die selbe Richtung ziehen.“ Die Sprachwissenschaftler nennen solche unvermittelten Sprünge „Katachrese“. Und Katachresen finden sich vor allem in komischen Texten. Für die Sprache der Macht sind sie denkbar ungeeignet.
Nicht weniger wichtig ist jedoch eine andere Form von Stimmigkeit: Auch Metaphern werden nämlich begleitet von „Konnotationen“ (→ S. 24, „Konnotation und Denotation“). Und die können Ihnen ebenfalls in die Quere kommen. Ihre Metapher kann in sich völlig stimmig sein – eine einzige unpassende Konnotation kann sie kippen lassen.
Die Selbstorganisation der Ameisen
Soziale Insekten wie Ameisen, Bienen oder Termiten vollbringen gemeinsam die erstaunlichsten Leistungen. Ihre Erfolgsprinzipien sind permanente Kommunikation und Selbstorganisation. Wer dies zum Vorbild für menschliche Organisationen machen möchte, sollte die Konnotation bedenken: Die einzelne Ameise ist nichts wert. Das einzige, was zählt, ist der Ameisenstaat.
Die Mehrdeutigkeit von Metaphern
Metaphern zeichnen sich dadurch aus, dass sie unterschiedlich gedeutet werden können. Auch wenn Sie Ihr Verständnis der Metapher gleich mitliefern, können Sie nicht verhindern, dass sich Ihre Zuhörer Ihre eigenen Gedanken machen. Um bei dem letzten Beispiel zu bleiben: Sie haben die Beteiligung der Mitarbeiter, Dezentralisierung und Selbstorganisation im Sinn, verweisen auf das Erfolgsprinzip der Ameisen und stoßen auf schroffe Ablehnung, weil sich Menschen nicht so gerne auf eine Stufe mit Insekten stellen lassen.
So etwas müssen Sie vorausahnen. Sie müssen sich immer fragen, wie die Metapher bei Ihren Zuhörern ankommt. Daraus folgt für die Sprache der Macht allerdings auch: Die Mehrdeutigkeit von Metaphern kann gezielt genutzt werden, um seinen Einfluss aufrechtzuerhalten. Im Kapitel über die Dominanz war bereits die Rede von einem gewissen Dilemma: Wer sich festlegt, dominiert. Auf der andern Seite erleidet er einen Autoritätsverlust, wenn sich herausstellt, dass er mit seiner Aussage falsch lag. Der übliche Ausweg heißt: Sprich in Metaphern. Denn Metaphern lassen sich umdeuten und dem aktuellen Bedarf anpassen.
Das bedeutet keineswegs, dass Metaphern beliebig sind. Aber sie sind ohne Zweifel elastischer als die Aussagen, die wortwörtlich zu nehmen sind. So ist etwa die Metapher vom „großen Strom“ (→ S. 147) vieldeutig genug, um gegenläufige Tendenzen sogar noch als Bestätigung zu werten. Wenn sich allerdings der Eindruck verfestigt, dass die Diagnose falsch ist, kann die Metapher kippen. Dann ist sie erst einmal diskreditiert und stößt auf Argwohn – auch wenn sie nun passt.
Die Eigendynamik von Metaphern
Das Besondere an Metaphern ist, dass sie eine Überzeugungskraft entfalten können, die mit den Grundsätzen rationalen Argumentierens nicht das Geringste zu tun haben. Was in der Welt der Metaphern zählt, ist Vertrautheit, Anschaulichkeit und eine Art von Bedeutungsüberschuss, der automatisch mitgeliefert wird. Einfach, weil die Metapher auch noch andere Eigenschaften mitbringt, von denen sich manche dann eben doch an das Ursprungsthema heften.
Schlanke Strukturen und Prozesse
Das Konzept des Lean Managements verdankt seine Überzeugungskraft auch dem Umstand, dass „Schlankheit“ als etwas Positives betrachtet wird. Wenn Strukturen und Prozesse im Unternehmen „verschlankt“ werden, so können wir daraus schließen, dass dadurch das Unternehmen leistungsfähiger wird. Zumal, wenn die Metapher die Eigenschaften schlank und muskulös nahelegt. Abteilungen oder Organisationen, die (noch) nicht „lean“ sind, werden hingegen mit dem Attribut belegt, dass sie an „Verfettung leiden“. Und an die „Verfettung“ lassen sich bequem weitere abwertende Eigenschaften anschließen: Wer nicht „lean“ ist, ist unbeweglich, verbraucht zu viele Ressourcen und steht kurz vor dem Kollaps.
In Hinblick auf unser Thema sind all jene Metaphern von herausragender
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