Die Sprache des Feuers - Roman
Organisierte Kriminalität seit ewigen Zeiten. Er hat Namen, Tarnnamen, Listen, kennt die Schlupfwinkel, weiß, wo welche Waffen versteckt sind, wem sie gehören. Wenn er nur die Hälfte der Organisation hochgehen lässt, löst er eine Lawine aus, die das ganze Land erfasst, rollt er die Russenmafia in Arizona auf, in Texas, Kentucky, West Virginia, New York.
Er muss nur warten, bis es dunkel wird.
Auch Jimenez ist aufgekratzt. Auch er hat seine Listen, seine Haftbefehle, endlich ist das FBI mit von der Partie, seine Einheiten sind überall in Südkalifornien postiert. In L. A. hat er ein ganzes Bataillon aufgestellt, hier in Orange County und auch in San Diego seine Leute in Kompaniestärke zusammengezogen. Alle warten sie darauf, dass es dunkel wird.
Sandra Hansen sitzt in ihrem Zimmer im Ritz und trinkt eine Diet Coke nach der anderen, als könnte das ihre Nerven beruhigen. Dabei nimmt sie gar nicht teil an dem Einsatz. Sie darf nicht einmal durchblicken lassen, dass die Ermittlungen zur Hälfte von Fire and Life finanziert sind. Ihr bleibt nichts zu tun, als am Telefon zu sitzen und zu hoffen, dass die Sache läuft wie geplant, dass sie nicht in die Hose geht.
Denn es ist ein komplizierter Deal, der hier ablaufen soll.
Am Abend die Razzia.
Am Morgen darauf die Übergabe der fünfzig Millionen.
Dann legt ihr Beauftragter die ganze Operation der SEE offen, im Austausch gegen die absolute Immunität ihrer Ermittler, Kapitalverbrechen ausgeschlossen. Abgesegnet ist der Deal von der Schadensabteilung, der Chefetage und einer ganzen Latte von Polizeibehörden.
In dieser Nacht entscheidet sich alles.
Sandra Hansen geht ans Fenster, lässt den Blick über die Küstenlinie schweifen, während eine unglaublich rote Sonne hinterm Horizont verschwindet, doch sie wünscht sich nur, dass es schon Morgen wäre.
Auch Nicky Vale starrt in die untergehende Sonne.
Lev und Dani stehen hinter ihm auf dem Rasen wie seine leibhaftigen Schatten.
»Wie damals in der Zelle«, sagt er. »Wir drei gegen den Rest der Welt. Wir kämpfen um unser Leben. Unser neues Leben. Im Gefängnis habe ich euch ein neues Leben versprochen. Das Paradies. Wenn wir heute Nacht tun, was zu tun ist, haben wir morgen das neue Leben. Nur noch dieser eine Schritt, und wir haben es geschafft.«
Nur noch dieser eine Schritt, alles ist bereit.
Es wird eine blutige Nacht.
Das Vorspiel hat schon stattgefunden.
Jimmy Dansky und Jack Wade sind bei ihrer Begegnung auf dem Ortega Highway in den Trümmern ihrer Autos verbrannt.
Auch die Schwester ist tot.
Diesmal wirklich, weil Lev sie erledigt hat. Lev macht keine Fehler.
Alle Probleme werden sich in Luft auflösen.
113
Letty hat keine Lust auf Sonnenuntergänge. Sie ist völlig erledigt.
Ein Kollege fährt sie nach Hause. In ihrem eigenen Auto. Ein anderer Kollege fährt hinterher.
»Möchtest du, dass ich bleibe?«, fragt er.
»Ich komm schon zurecht.«
»Der Chef hat gesagt –«
»Ja, ich weiß«, lacht sie. »Ich bin okay.«
Sie hat einen Eisbeutel, ausreichend Vidocin und die Hoffnung, dass Jack bald kommt, um sie ein bisschen zu verwöhnen.
Mir einen Drink macht, mein Kissen aufschüttelt, mich in den Schlaf wiegt.
Denn gleich morgen früh will sie mit wehem Herzen zum Haus von Mütterchen Russland fahren und Nicky vernehmen. Er muss ihr Rede und Antwort stehen, was die zwei vermissten Vietnamesen in der Nacht vor ihrem Verschwinden in seinem Haus zu suchen hatten.
Anweisung vom Chef. Ich soll die Finger von Pams Fall lassen, mich lieber um die vermissten Vietnamesen kümmern.
Ihre Spur verfolgen.
Und wo führt die hin?
Sie führt zu Nicky.
Und wo zum Teufel ist Jack?
Man sollte meinen, er reißt sich darum, den besorgten Beschützer zu spielen.
Sie ruft in seinem Büro an.
Weg.
Sie ruft ihn zu Hause an, hinterlässt eine Nachricht.
Sie kann sich denken, was er macht.
Er folgt seiner Spur.
Hat er Blut gerochen, ist er nicht mehr zu bremsen.
Und wenn sie ihm dreimal kündigen, Jack gibt nicht auf.
Das gehört zu den Dingen, die sie an ihm mag.
Sie liebt ihn, sie macht sich Sorgen, sie sendet ein kleines Stoßgebet zum Himmel, dass ihm nichts passiert.
Dann nimmt sie zwei Tabletten, geht ins Bett und macht das Licht aus.
114
Natalie knipst die Nachttischlampe an.
»Schlaf endlich«, sagt sie zu Michael.
»Ich kann nicht.«
Er weint schon wieder.
»Warum denn nicht?«
»Die Gespenster.«
»Das sind keine Gespenster. Das sind nur Schatten.«
Aber Natalie muss
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