Die Sprache des Feuers - Roman
Besonderes werden, auf keinen Fall ein kleiner Apparatschik. Wochenlang verzichteten sie auf Fleisch, um sich die Karten fürs Ballett leisten zu können. Die Tschaikowski-Platten sparten sie sich vom Munde ab. In zartem Alter schon las er Tolstoi, Puschkin und Turgenjew, vorm Einschlafen las sie ihm Flaubert vor – auf Französisch. Das verstand er zwar nicht, aber seine Mutter glaubte fest daran, dass er mit dem Klang und dem Rhythmus der fremden Sprache irgendwie auch ihre Bedeutung aufsaugte.
Mutter machte ihn mit den schönen Dingen des Lebens vertraut – Musik, Malerei, Bildhauerei, Architektur. Brachte ihm Manieren bei – wie man sich bei Tisch benahm, bei der Konversation, beim Umgang mit Frauen. Zu Hause in der engen Küche übte sie mit ihm das gute Benehmen in einem feinen Restaurant – simulierte ein Menü mit vielen Gängen und zwang ihn, mit ihr Konversation zu treiben, als wäre sie eine junge Dame und er ihr Kavalier.
Genauso unerbittlich war sie, wenn es um seine Zensuren ging. Nichts außer Bestnoten wurde geduldet. Kam er von der Schule nach Hause, setzte er sich sofort an seine Bücher, und er musste ihr alles wiederholen, was er an dem Tag gelernt hatte.
Und es musste fehlerlos sein.
Sonst, so sagte sie ihm, würde er enden wie die anderen Proleten, wie sein Vater. Dumm, ungebildet und ohne Zukunft.
Als er anfing, sich für Mädchen zu interessieren, wählte sie seine Freundinnen aus oder, besser, hielt sie von ihm fern. Die eine war zu dumm, die andere durchtrieben, die dritte ein Flittchen.
Diese hohen Ansprüche rührten daher, glaubte Dasjatnik, weil sie so schön war: Ein Gesicht wie Porzellan, ihr Haar lackschwarz, mattglänzend und frisiert wie eine Skulptur, ein schlanker, eleganter Hals, dazu perfekte Umgangsformen und eine scharfe Intelligenz. Nie konnte er verstehen, warum der Vater sie verlassen hatte.
Und er gehorchte ihr. War in fast allen Fächern der Beste. Gewann Preise in Englisch, Geschichte, Literatur, Mathematik. Aber nicht nur das. Er war ein hinterhältiger kleiner Streber, und so erregte er die Aufmerksamkeit der Talentsucher vom KGB .
Und dass er am Afghanistan-Krieg teilgenommen hat, stimmt wirklich, nur dass er dort nicht als armseliger Rekrut hingeschickt wurde, sondern als Offizier der Aufklärung, der aus den Bauern herausholen sollte, wo sich die Mudschaheddin versteckten.
In den ersten Wochen macht er seinen Job auf die zivilisierte Art, obwohl er damit nicht weit kommt. Doch nachdem er zum dritten Mal von dem toten Sowjetsoldaten gehört hat, den man nackt aufgefunden hat, mit abgeschnittenen Genitalien, ändert er seine Taktik. Seine Lieblingsmethode besteht darin, drei Bauern zusammenzufesseln wie Schweine, zweien von ihnen die Kehle durchzuschneiden und dem dritten eine Tasse Tee und eine nette Unterhaltung anzubieten. Wenn die verweigert wird, befiehlt er einem Handlanger, den heiligen Krieger mit Benzin zu überschütten. Und wenn Valeshin seinen Tee getrunken hat, zündet er sich eine Zigarette an, wirft das Streichholz weg und wärmt sich an dem prasselnden Feuer die Hände. Danach lässt er seine Leute das ganze Dorf abbrennen.
Er wartet einen Tag, ob die Nachricht vom Geschehen bis zum nächsten Dorf vorgedrungen ist, dann stellt er dort seine Fragen. Und meistens bekommt er seine Antworten.
Währenddessen ist Mutter krank vor Sorge um ihren Sohn und befürchtet, dass er in diesem dummen, sinnlosen Krieg sein Leben riskiert. Sie schreibt ihm täglich, und er schreibt zurück, doch die sowjetische Post verschlampt die Briefe, sie verbringt quälende Tage im Glauben, er sei gefallen, und wenn dann doch ein Brief kommt, zerfließt sie in Tränen.
Nach seiner Rückkehr darf Valeshin mit Mutter Urlaub machen, in einer Datscha am Schwarzen Meer, als Belohnung fürseinen heldenhaften Einsatz. Am Abend besuchen sie ein vornehmes Restaurant auf der Strandpromenade. Ein Tisch auf der Veranda, das Meer funkelt im Mondlicht. Sie bestellen ein Menü mit acht Gängen, und die Konversation ist sehr gepflegt.
Nachts in der Datscha zeigt ihm Mutter, wie man das mit den Frauen macht.
Nach dem Afghanistan-Krieg braucht er neue Aufgaben, und der KGB hat Verwendung für ihn.
Wieder in Moskau, trifft er sich mit seinem Führungsoffizier zu einem Spaziergang im Gorki-Park. Oberst Karpozow ist ein ziemliches Original: breites slawisches Gesicht, streng zurückgekämmtes silbergraues Haar, trinkfest und ein unwiderstehlicher Verführer. Ein richtiger Charmeur
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