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Die Sprache des Feuers - Roman

Die Sprache des Feuers - Roman

Titel: Die Sprache des Feuers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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und Schutzgeld. Und, Brüder, knüpft Kontakte zu anderen Gruppen, den Mexikanern, Vietnamesen, Amerikanern, lasst sie die Dreckarbeit machen, haltet euch bedeckt. Ich will in der Zeitung nichts von einer »Russenmafia« lesen, ich will eure Fressen nicht im Fernsehen bewundern.
    Meine Schutztruppe werde ich behalten. Ich habe sie eine Weile an den verstorbenen Natan Shakalin ausgeliehen, aus naheliegenden Gründen. Jetzt arbeiten sie wieder für mich. Mit ihnen redet ihr, nicht mit mir. Ihr zahlt zehn Prozent an den obotschek und zwanzig Prozent – und nicht fünfzig – an mich. Der obotschek wird von mir verwaltet. Und nun geht los, macht Geldund investiert es in die Wirtschaft. Eure Söhne werden einmal Senatoren.«
    Dieser letzte Satz gefällt ihm besonders. Beim Einüben seiner Rede kam ihm dieser hübsche Einfall. Wieder und wieder ist er die Rede durchgegangen, um seine Nerven zu beruhigen, als er noch nicht wusste, ob sein Plan aufgehen würde. Ob es ein Fehler war, Lev und Dani nach Amerika zu holen. Ob sie den Treueschwur halten würden, den sie sich im Gefängnis gegeben hatten.
    Ihr folgt mir ins Paradies.
    Auch das andere Versprechen löst er ein.
    Er lässt seine Mutter kommen.
    Das ist jetzt, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, leichter zu organisieren als ein Tisch im Restaurant von Wolfgang Puck.
    Das Wiedersehen fällt frostig aus.
    Sie ist gekränkt, sie ist wütend, sie ist verbittert nach sechs Jahren Trennung. Auf der Fahrt vom Flughafen nach Dana Point spricht sie kaum ein Wort. Erst als sie nach Monarch Bay kommen, und der Wachmann am Tor überschlägt sich fast vor Eifer, verschwindet die Zornesfalte aus ihrem Gesicht. Und als sie die Villa sieht, taut sie merklich auf.
    »Dasjatnik, es stehen ja kaum Möbel in dem Haus!«
    »Die Einrichtung wollte ich dir überlassen, Mutter. Ich verlasse mich auf deinen Geschmack. Und überhaupt: Das Haus gehört dir.«
    »Wirklich?«
    »Bis auf ein Zimmer, das ich für mich haben möchte. Wenn du einverstanden bist.«
    Sie küsst ihn auf beide Wangen und – ganz flüchtig – auf den Mund.
    »Natürlich bin ich einverstanden.«
    Nicky löst sich von der Gesellschaft der Diebe, trifft sich nicht mehr mit seinen Brigadieren, überlässt alles seinen beiden Beschützern, die das Geld für ihn eintreiben. Er verwaltet den obotschek , kümmert sich um seine Immobiliengeschäfte.
    Und um seine Antiquitäten. Die erste Auktion besucht er mit seinen neuen Freunden, nur so, um sich an einem trüben Januarsonntag die Zeit zu vertreiben. Und verliebt sich auf der Stelle. Nicht in eine der heißen Frauen, die er dort sieht, sondern in einen Frisiertisch aus der Zeit Georges II . Der Frisiertisch ruft ihm zu: Ich gehöre dir .
    Mehr noch: Ich bin ein Stück von dir .
    Und ehe er es weiß, hat er schon fünfzehn Tausender für dieses Möbelstück aus Walnussholz hingeblättert.
    Es gibt Liebe, die vergeht, und Liebe, die bleibt. Liebe, die das Herz erfreut und dann vergeht, Liebe, die die Seele erfüllt und für immer bleibt.
    Alte Möbel sind das Einzige, was Nickys Seele erfüllt.
    Am Anfang ist es eine Frage des Status.
    Er kauft sie, weil er sich das leisten kann. Weil es die Befreiung aus dem Sumpf seiner Herkunft symbolisiert. Weil ihm das Sammeln von Kunst und Antiquitäten – und nicht von Autos oder Pferden zum Beispiel – die Türen zur besseren Gesellschaft öffnet. Als Kunstsammler stellt er etwas dar, ist er kein Immobilienspekulant mehr, sondern ein Mann mit Kultur, mit Stil, ja, mit Klasse .
    Natürlich ist er viel zu schlau, um sich etwas vorzumachen.
    Aber es dauert nicht lange, und das Sammeln wird für ihn mehr als nur ein Statussymbol.
    Es wird zur Leidenschaft.
    Aber warum?, fragt er sich manchmal. Sind es die Gegenstände, die mich reizen? Wohl eher nicht. Ist es die Reinheit der Idee, die sich in einem Kunstwerk verkörpert, das aufrichtige Streben nach Schönheit? Der krasse Gegensatz zur korrupten Welt, in der ich lebe?
    Oder Schönheit als solche? Zieht mich die Schönheit so magisch an, dass ich sie für mich haben muss? Was ja verständlich ist bei einem, der in Dreck und Armut aufgewachsen ist.
    Meine ersten dreißig Jahre waren, seien wir ehrlich, ein Hundeleben. Die Wohnung in Leningrad eine Katastrophe, Afghanistan der Horror, das Gefängnis die Hölle. Und Russland? Dreckiger Schnee, Schlamm, Ungeziefer, Blut und Scheiße.
    Manchmal träumt er nachts vom Krieg, und wenn er aus dem schrecklichen Alptraum hochschreckt, tut es ihm

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