Die Springflut: Roman (German Edition)
hier treffen wollten. Abbas el Fassi. Ehemaliger Taschenverkäufer, heute renommierter Croupier. Im Laufe der Jahre hatte er für Mette und Stilton immer wieder Aufträge undercover ausgeführt.
Was ihm immer besser gelungen war und die beiden davon überzeugt hatte, dass Abbas absolut zuverlässig Dinge erledigte, die abseits offizieller Dienstwege ablaufen mussten.
Wie jetzt.
Wenn man die einheimische Polizei nicht einschalten und sich nicht mit ihrer Bürokratie herumschlagen wollte, um an die eigentlich offiziell benötigten Genehmigungen zu kommen, entschied man sich für den anderen Weg namens Abbas.
Olivia sah Stilton an.
»Immer?«
Stilton hatte ihr gerade von Abbas und seiner Vergangenheit erzählt, jedoch ohne in die Details zu gehen. Vor allem ohne darauf einzugehen, aus welchem Grund Abbas mit Hilfe Stiltons aus einem halbkriminellen Sumpf gezogen und in die Obhut von Mette und Mårten Olsäter gegeben worden war. Von diesen war er nach einer Weile als Teil der Familie betrachtet worden, was vor allem dem mongoloiden Mädchen Jolene zu verdanken war. Als Abbas zu ihnen kam, war sie sieben gewesen, und ihr war es mit der Zeit gelungen, seine raue Schale zu durchbrechen und ihm den Mut zu geben, die Fürsorge und Liebe der Familie anzunehmen und seine eigene offen zu zeigen. Ein ziemlich großer Schritt für einen armen, elternlosen Jungen aus Marseille. Abbas gehörte bis heute zu Familie Olsäter.
Er selbst wachte mit Adleraugen über Jolene.
Und trug ein Messer.
»Immer«, wie Stilton bestätigte.
Er hatte das Bild abgerundet, indem er Abbas’ extreme Vorliebe für Messer angedeutet hatte. Er trug stets ein sehr spezielles Messer bei sich, das er eigenhändig hergestellt hatte.
»Und was ist, wenn er es verliert?«
»Er hat fünf davon.«
Mette und Abbas verließen das Kasino und kamen zum Auto. Stilton hatte sich innerlich für die Begegnung mit Abbas gewappnet. Es war lange her, dass sie sich unter Umständen begegnet waren, die Stilton sich nur ungern vergegenwärtigte.
Jetzt sahen sie sich wieder.
Aber es lief wie fast immer bei Abbas. Ein paar kurze Blicke, ein Kopfnicken, und damit war die Sache erledigt. Als Abbas auf dem Beifahrersitz Platz nahm, spürte Stilton, wie sehr er ihn vermisst hatte.
Mette hatte vorgeschlagen, zu Abbas in der Dalagatan zu fahren, und nun saßen sie in seinem Wohnzimmer, und Mette brachte ihr Anliegen vor. Eine Reise zu Wendts Aufenthaltsort Mal Pais in Costa Rica und eine Durchsuchung seines Hauses. Eine begrenzte Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizei würde Mette über ihre Kanäle einfädeln. Die Hauptaufgabe musste Abbas allerdings nach eigenem Ermessen erledigen.
Die Kosten würde Mettes Abteilung übernehmen.
Anschließend referierte sie alle bisher bekannten Details des Falls, und Abbas lauschte ihr schweigend.
Als Mette mit den Erläuterungen fertig war, die mit ihrer aktuellen Mordermittlung zusammenhingen, brachte Stilton einen zusätzlichen Wunsch vor.
»Wenn du schon einmal da bist, kannst du ja mal schauen, ob du eine Verbindung zwischen Wendt und der Frau findest, die 1987 auf Nordkoster ermordet wurde. Vielleicht haben sie sich in Costa Rica kennengelernt, und sie ist nach Nordkoster gereist, um dort etwas zu holen, was Wendt in seinem Sommerhaus versteckt hatte, okay?«
Olivia horchte auf. Ohne sie eines Blickes zu würdigen, hatte Stilton einen Teil ihrer »Verschwörungstheorien« geklaut und sich zu eigen gemacht. So ist er einfach, dachte sie. Das werden wir uns merken.
Jetzt warteten sie auf Abbas’ Antwort.
Olivia hatte die ganze Zeit kein Wort gesagt. Sie spürte, dass hier drei Menschen über eine ganz spezielle Chemie miteinander verbunden waren, die weit in die Vergangenheit zurückreichte. Ihr Umgang miteinander war von großem gegenseitigem Respekt geprägt. Außerdem war ihr aufgefallen, dass Stilton und Abbas sich ab und zu kurze, verstohlene Blicke zuwarfen, als gäbe es zwischen ihnen etwas Unausgesprochenes. Aber was?
»Ich fahre.«
Mehr sagte Abbas zu dem Thema nicht und fragte stattdessen, ob jemand einen Tee haben wolle. Mette wollte nach Hause, und Stilton wollte raus, so dass beide dankend ablehnten und schon auf dem Weg in den Wohnungsflur waren, als Olivia das Angebot annahm.
»Gern.«
Olivia wusste nicht genau, warum sie das sagte, aber Abbas hatte etwas. Schon als er sich in einer einzigen gewandten Bewegung in den Wagen geschoben und auf den Sitz fallen gelassen hatte, war sie fasziniert
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