Die Springflut: Roman (German Edition)
begonnen, oder auch, dass es diese sechs Jahre niemals gegeben hätte. Aber es hatte sie gegeben, und er war nach wie vor weit von seiner früheren Form entfernt.
Er blickte auf.
»Hallo«, sagte er. »Wollt ihr einen Schluck Bier?«
Stilton hielt ihnen die Bierdose hin. Isse schwang locker seinen Baseballschläger und traf die Dose perfekt. Sie flog einige Meter weit, und Stilton schaute ihr hinterher.
»Homerun«, sagte er lächelnd. »Ihr solltet vielleicht …«
»Schnauze!!«
»Entschuldigung.«
»Wir haben deinen verdammten Wohnwagen abgefackelt! Scheiße, was tust du hier?«
»Ein Bier trinken.«
»Verdammter Wichser! Kapierst du denn gar nichts? Willst du, dass wir dich erschlagen?!«
»Wie ihr Vera erschlagen habt?«
»Welche verdammte Vera?! War das die Hure in dem Wohnwagen? War das deine Hure?!«
Isse lachte und sah Liam an.
»Hast du gehört?! Wir haben seine Hure kaltgemacht!«
Liam grinste und zog sein Handy heraus. Stilton sah, dass er die Kamera einschaltete. Gleich war es so weit, und er wusste nicht genau, wie er vorgehen sollte.
Ich rede Klartext, dachte er.
»Ihr seid zwei richtige kleine Scheißer, wisst ihr das?«, sagte er auf einmal.
Isse starrte ihn an. Er konnte nicht fassen, was er gerade gehört hatte. Wie konnte es dieser Säufer nur wagen?! Liam schielte zu Isse hinüber. Bald würde seine Sicherung durchbrennen.
»Euch sollte man lebenslänglich einsperren und mit verfaulter Katzenscheiße füttern.«
Die Sicherung brannte durch. Isse brüllte, holte mit dem Baseballschläger aus und wollte mit voller Wucht Stiltons Kopf treffen, aber der Schläger erreichte nie sein Ziel. Isse hatte ihn gerade von hinten über die Schulter geschwungen, als ihn ein langes schwarzes Messer in den Oberarm traf. Woher es kam, sah er genauso wenig wie Liam das zweite. Aber er spürte, dass es seine Hand durchstieß, und sah, dass sein Handy in einem hohen Bogen über die Bank flog.
Stilton war blitzschnell auf den Beinen und schnappte sich den Baseballschläger. Isse war in die Hocke gegangen, schrie und starrte das Messer in seinem Oberarm an. Regen prasselte auf sein Gesicht. Stiltons Atem ging schnell, und er spürte, wie sich Veras elender Tod bis in das Holz fortpflanzte. Er hielt ihn in Höhe von Isses Kopf. Ihm war schwarz vor Augen. Er packte den Schläger fest mit beiden Händen und holte mit dem ganzen Körper zu einem Schlag gegen Isses Hals aus.
»Tom!!«
Der Ruf drang weit genug in sein finsteres Gehirn ein, um die Bewegung für eine Sekunde aufzuhalten. Stilton warf sich herum. Abbas kam auf ihn zu.
»Leg das Ding weg«, sagte er.
Stilton starrte Abbas an.
»Tom.«
Stilton ließ den Baseballschläger ein wenig sinken. Plötzlich sah er, dass Liam versuchte, davonzustolpern, machte zwei schnelle Schritte und schlug ihm so in die Kniekehlen, dass er der Länge nach hinschlug. Abbas erreichte Stilton und griff nach dem Schläger.
»Es gibt bessere Wege«, sagte er.
Stilton beruhigte sich ein wenig, sah Abbas an und versuchte, gleichmäßig zu atmen. Ein paar Sekunden später ließ er den Baseballschläger los. Abbas warf ihn ins Gebüsch. Stilton schaute zu Boden und begriff, wie knapp das gewesen war. Die Demütigung in dem unterirdischen Raum und alles andere hatten ihn fast so weit getrieben, jede Grenze zu überschreiten.
»Kannst du mir kurz helfen?«
Stilton wandte sich um. Abbas hatte das Messer aus Isses Bizeps gezogen und ihn auf die nasse Bank gesetzt. Stilton zerrte den völlig verängstigten Liam von der Erde hoch und schleuderte ihn neben Isse auf die Bank.
»Was tun wir jetzt?«, fragte Abbas.
»Wir ziehen sie aus.«
Das musste Stilton alleine übernehmen. Abbas stand ein paar Meter entfernt und wischte das Blut von seinen Messern. Die beiden Männer auf der Bank starrten ihn angsterfüllt an.
»Steht auf!«
Stilton riss Isse auf die Beine. Liam stand von selbst auf. Stilton zerrte ihnen möglichst schnell die Kleider vom Leib. Als sie splitternackt waren, stieß er sie wieder auf die Bank. Abbas stellte sich mit seinem Handy vor sie, schaltete die Kamera ein und hielt wegen des Regens eine schützende Hand über das Telefon.
»Also«, sagte er, »wollen wir uns ein bisschen unterhalten?«
Es war eine kurze, aber recht dramatische SMS , die Janne Klinga erhielt: »Die Handymörder sitzen auf einer Bank im Lilla Blecktornspark. Ihr Geständnis ist auf Trashkick online.«
Die Nummer sagte ihm nichts.
Klinga, der so eine Ahnung hatte, wer die SMS
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