Die Springflut: Roman (German Edition)
zurück.
Mitte der achtziger Jahre hatte sie eine Zeitlang die Suche nach Nils Wendt geleitet, und damals hatte sich ein schwedisches Pärchen bei ihr gemeldet, das in Playa del Carmen in Mexiko Urlaub gemacht hatte. Die beiden hatten heimlich ein paar Fotos von einem Mann gemacht, den sie für den Geschäftsmann hielten, der vor einiger Zeit unter unklaren Umständen verschwunden war, aber es war nicht möglich gewesen, eine Bestätigung dafür zu bekommen, dass es sich bei dem Mann wirklich um Nils Wendt handelte.
Seltsam, dachte Mette. Sie betrachtete die beiden Bilder vor sich. Dieses Muttermal ist doch nun wirklich unverkennbar, oder?
Eine Stunde später trafen sie sich zu dritt, Mette, Stilton und Olivia. Es war schon fast Nacht. Mette erwartete die beiden im Foyer und schleuste sie problemlos an den erforderlichen Kontrollen vorbei. Sie betraten ihr Büro, in dem die Jalousien immer noch heruntergelassen waren und die Schreibtischlampe brannte. Olivia erinnerte sich an den Raum. Obwohl es nur ein paar Wochen her war, hatte sie das Gefühl, vor einer Ewigkeit hier gewesen zu sein. Mette deutete wie eine Lehrerin auf zwei Stühle vor dem Schreibtisch und sah ihre Besucher an: einen ehemaligen, inzwischen obdachlosen Kriminalkommissar und eine junge, angehende Polizistin mit leichtem Silberblick. Sie hoffte, dass Oskar Molin keine Überstunden machte.
»Darf ich jemandem etwas anbieten?«, fragte sie.
»Einen Namen«, sagte Stilton.
»Eva Hansson.«
»Wer ist das?«, erkundigte sich Olivia.
»In den achtziger Jahren war sie Nils Wendts Lebensgefährtin, die beiden besaßen gemeinsam ein Sommerhaus auf Nordkoster. Heute heißt sie Eva Carlsén.«
»Was?!«
Olivia wäre fast aufgesprungen.
»Eva Carlsén ist mit Nils Wendt zusammen gewesen?«
»Ja. Wie bist du mit ihr in Kontakt gekommen?«
»Durch meine Seminararbeit.«
»Und bei ihr zu Hause hast du dann das Foto mit den Ohrringen gesehen?«
»Ja.«
»Wann war das?«
»Das ist jetzt … zehn, zwölf Tage her.«
»Was hast du bei ihr gemacht?«
»Ich wollte ihr einen Aktenordner zurückgeben.«
Stilton musste innerlich grinsen, das Gespräch hatte den Charakter eines Verhörs angenommen. Das gefiel ihm. Er mochte es, wenn Mette auf Hochtouren kam.
»Woher wusstest du, dass sie zum Zeitpunkt des Mordes auf Nordkoster war?«, fragte Mette.
»Das hat sie mir selbst erzählt.«
»In welchem Zusammenhang?«
»Das … ja, das war … wir haben uns auf Skeppsholmen getroffen und …«
»Wie persönlich ist deine Beziehung zu Eva Carlsén?«
»Sie ist überhaupt nicht persönlich.«
»Aber du bist bei ihr zu Hause gewesen?«
»Ja.«
Was soll denn das?, dachte Olivia. Ist das hier ein verdammtes Kreuzverhör? Ich habe ihr doch von den Ohrringen erzählt? Aber Mette machte einfach weiter.
»Ist dir außer den Ohrringen noch etwas anderes bei ihr aufgefallen?«
»Nein.«
»Was habt ihr gemacht?«
»Wir haben Kaffee getrunken. Sie hat mir erzählt, dass sie geschieden ist und einen Bruder hatte, der an einer Überdosis gestorben ist, und danach haben wir uns über …«
»Weißt du, wie er hieß?«, mischte Stilton sich plötzlich ein.
»Wer?«, fragte Olivia.
»Der Bruder, der an einer Überdosis gestorben ist.«
»Sverker, glaube ich. Warum willst du das wissen?«
»Weil bei unseren Ermittlungen auf Nordkoster zwei Junkies auftauchten, sie hatten …«
»Sie wohnten in einer der Ferienhütten!«
Olivia wäre fast wieder aufgesprungen.
»Welche Ferienhütten?«, fragte Mette.
»Betty Nordemans! Sie hat die Junkies rausgeworfen, weil sie Drogen genommen haben! Aber sie meinte, die beiden hätten die Insel einen Tag vor dem Mord verlassen.«
»Ich habe einen von ihnen vernommen«, meldete sich Stilton zu Wort. »Er hat das Gleiche gesagt, sie seien vor dem Mord abgehauen. Sie hätten ein Boot geklaut und seien damit ans Festland gefahren.«
»Habt ihr das mit dem Boot überprüft?«, erkundigte sich Mette.
»Ja. Es war in der Nacht vor dem Mord gestohlen worden. Es gehörte einem der Sommerurlauber.«
»Wem?«
»Das weiß ich nicht mehr.«
»Könnte es Eva Hanssons gewesen sein?«, fragte sie.
»Möglich.«
Stilton sprang plötzlich auf und ging im Raum auf und ab. Herrlich, dachte Mette. Ihr fiel ein, dass ihn bei der Kripo früher einige Eisbär genannt hatten. Sobald er auf Touren kam, trottete er auf und ab. So wie jetzt.
»Einer von diesen Junkies in der Hütte könnte dieser Sverker, Eva Hanssons Bruder, gewesen sein«,
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