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Die Springflut: Roman (German Edition)

Die Springflut: Roman (German Edition)

Titel: Die Springflut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cilla Börjlind , Rolf Börjlind
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schwachen Nerven und das starke Verlangen nach Opiaten hatten ihn in sein heutiges, entwurzeltes Dasein als obdachloser Verkäufer von Situation Stockholm heruntergezogen.
    Jetzt weinte er hemmungslos an Veras Schulter, weinte wegen dem, was Benseman zugestoßen war, wegen aller Teufeleien, aller Gewalt. Aber am meisten weinte er wohl, weil das Leben so war, wie es war.
    Vera strich ihm über die verfilzten Haare und schaute zu Jelle hoch, der auf seinen Zeitungsstapel hinunterschaute und dann ging.
    *
    Olivia fuhr durch das Tor auf das Gelände der Polizeischule und parkte gleich rechts. Zwischen den grauschwarzen Limousinen verschiedener Automarken stach ihr Mustang ein wenig heraus. Sie schaute kurz nach oben zum Himmel und überlegte, ob sie das Verdeck schließen sollte, verzichtete jedoch darauf.
    »Und was ist, wenn es regnet?«
    Olivia drehte sich um. Ulf Molin. Ein gleichaltriger Klassenkamerad, der die seltsame Fähigkeit besaß, stets in Olivias Nähe aufzutauchen, ohne dass sie es mitbekam. Diesmal hinter ihrem Auto. Ich frage mich, ob er mir hinterher schleicht, dachte sie.
    »Dann werde ich das Verdeck wohl schließen müssen.«
    »Mitten im Unterricht?«
    Diese Art vollkommen sinnloser Unterhaltungen hatte Olivia mittlerweile gründlich satt. Sie nahm ihre Tasche und ging. Ulf folgte ihr.
    »Hast du das hier gesehen?«
    Ulf trat neben sie und hielt ihr sein Tablet hin.
    »Das ist der Obdachlose, der diese Nacht misshandelt worden ist.«
    Olivia schielte hinüber und sah, wie der blutende Benseman an unterschiedlichen Körperstellen von Tritten getroffen wurde.
    »Das Video ist wieder auf derselben Seite zu sehen«, meinte Ulf.
    »Trashkick?«
    »Ja.«
    Sie hatten am Vortag im Unterricht über die Internetseite gesprochen, und alle waren ziemlich aufgebracht gewesen. Einer ihrer Lehrer hatte erklärt, wie das erste Video und eine Webadresse auf 4chan.org hochgeladen worden waren. Das Video und die Adresse waren relativ schnell entfernt worden, aber den Link hatten dennoch viele gesehen, und daraufhin hatte er rasch große Verbreitung gefunden. Er führte zu der Internetseite trashkick.com .
    »Kann man die nicht sperren lassen?!«
    »Wahrscheinlich liegt sie bei irgendeinem obskuren Webhoster, der für die Polizei nicht so einfach zu finden und zu sperren sein dürfte«, hatte ihr Lehrer erklärt.
    Ulf ließ das Tablet sinken.
    »Das ist jetzt schon das vierte Video, das sie hochladen … das ist verdammt krank.«
    »Dass sie Menschen zusammenschlagen oder dass sie es ins Netz stellen?«
    »Na ja … beides.«
    »Und was findest du schlimmer?«
    Sie wusste, dass sie ihn lieber nicht zu einem Gespräch ermutigen sollte, aber bis zum Schulgebäude waren es noch zweihundert Meter, und Ulf hatte denselben Weg. Außerdem mochte sie es, andere zum Nachdenken anzuregen. Keine Ahnung, warum. Wahrscheinlich war es eine Art, auf Distanz zu bleiben.
    »Ich denke, für diese Typen ist das ein und dasselbe«, antwortete Ulf. »Sie misshandeln ihre Opfer, um die Tat ins Netz zu stellen. Wenn sie kein Forum dafür hätten, würden sie vielleicht auch niemanden misshandeln.«
    Gut, dachte Olivia. Ein langer, logisch aufgebauter Satz, eine kluge Überlegung. Wenn er weniger schleichen und mehr denken würde, könnte er in ihrem wählerisch zusammengestellten Bekanntenkreis ein deutlich höheres Niveau erreichen. Außerdem war er sportlich, einen halben Kopf größer als sie und hatte dunkelbraune, lockige Haare.
    »Hast du heute Abend schon etwas vor? Wollen wir vielleicht ein Bier trinken gehen?«
    In diesem Punkt blieb er auf seinem alten Niveau.
    Der Seminarraum war fast voll besetzt. Olivias Klasse bestand aus 24 angehenden Polizisten, die in vier Gruppen eingeteilt waren. Ulf gehörte nicht zu ihrer. An der Tafel stand ihr Dozent Åke Gustafsson, ein Mann von gut fünfzig Jahren, der auf eine lange Karriere im Polizeicorps zurückblickte. Er war beliebt. Ein bisschen umständlich, wie manche fanden. Charmant, fand Olivia. Sie mochte seine buschigen Augenbrauen, die kurz über den Augen ein Eigenleben zu führen schienen. Er hielt ein Kompendium in der Hand, von dem weitere Exemplare in einem Stapel neben ihm auf dem Tisch lagen.
    »Da wir in ein paar Tagen auseinandergehen, habe ich mir überlegt, euch für die Sommerferien eine, natürlich freiwillige, kleine Aufgabe zu stellen. Ich habe ein Kompendium zusammengestellt, das eine Reihe ungelöster schwedischer Mordfälle enthält. Ich habe mir gedacht, dass ihr

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