Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Theiss
Vom Netzwerk:
Aufregung.
Einen Vorteil hat es eben doch, einen Mann im Haus zu haben. Der will seiner
Frau wenigstens nicht ans Leben. – Vielleicht sollte Lisbeth sich einen Hund
zulegen. Einen großen Wolfshund, wie man sie sich für die Fuchsjagd hält. So
einer würde unerwünschte Gäste vertreiben. Vielleicht sogar den Kreutzer
einschüchtern.

    Schon bei dem bloßen Gedanken daran wächst Lisbeths Mut.

    »Hau bloß ab, sonst lass ich meinen Hund los!«, brüllt
sie in die Dunkelheit.

    Nichts rührt sich, kein Laut.

    »Gut, ich hab dich gewarnt, Spitzbube. Jetzt lass ich ihn
von der Kette. Der beißt dir die Kehle durch!«

    Da! Endlich bewegt sich was am Boden. Lisbeth fährt vor
Schreck zusammen, als aus der Buchenhecke ein Schatten auf vier Beinen kraucht,
sich beim Kirschbaum halb aufrichtet, in den Winterheckenzwiebeln verheddert,
ins Beet plumpst und liegen bleibt.
    »Nicht den Hund!«, greint der Schatten. »Ich bin kein
Spitzbube, ich tu nix!«

    Lisbeth stutzt, fasst sich ein Herz und öffnet den Fensterladen,
leuchtet mit der Kerze hinaus. Zwischen den mit Schneehäubchen bedeckten
Winterzwiebeln kauert ein schmutziges Bündel und zittert zum Gotterbarmen.

    »Bist du verletzt?«

    Keine Antwort. Lisbeth wickelt sich den Wollschal um den
Leib, steigt in die Klompen und geht hinaus. Das Bündel richtet sich auf, ein
Kindergesicht starrt sie aus zerschlissenen Kleidern an.

    Lisbeth reicht dem Kind die Hand, um ihm aufzuhelfen. »Na,
komm mit rein! Bist ja ganz durchgefroren.«

    Ein Leichtgewicht ist es nicht, das Kind. Einen guten
Kopf größer als Lisbeth und nicht gerade mager. Dafür schlapp wie ein Heusack.
Lisbeth hievt sich seinen Arm über die Schulter und so wanken sie ins Haus, wo
die Mutter und die heilige Irmgard schon bei der Ofenbank warten.

    Lisbeth bettet das Riesenkind darauf, schiebt ihm ein Kissen
unter den Schopf und gibt ihm einen Schluck warme Milch. Es ist ein Bub, zwölf
oder dreizehn Jahre alt. Verletzt ist er nicht, aber sein Gesicht ist kalkweiß
vor Angst, seine Hände und Füße heidelbeerblau vor Kälte.

    »Hunger wird er haben«, stellt die heilige Irmgard fest.
    Lisbeth greift in den Brotkorb, ein Krapfen vom Vortag ist
noch übrig.
    »Heile, heile Gänsken, ist bald widder guuut …«, singt
die Mutter, wie sie früher immer gesungen hat, wenn Lisbeth sich die Knie
aufgeschlagen oder einen Dorn in den Fuß geholt hat.

    »Heile, heile Gänsken …«, wiederholt Lisbeth und streichelt
dem Kind das nussbraune Haar aus dem Gesicht. Die heilige Irmgard zieht sich in
ihr Gemälde zurück, die Mutter verblasst im Kerzenschein, während der Bub
erzählt und erzählt, derweil ihm Rotz und Tränen übers Gesicht rinnen und der
Krapfen, den er zu essen versucht, in Brocken wieder aus dem Mund quillt.

    Er heißt Vincent und kommt aus Krefeld, wo es gleich nach
Drei König ein Fieber gab, an dem beide Eltern und ein kleiner Bruder gestorben
sind. Er, der Vincent und seine Schwester Hannegret, wurden in ein Waisenhaus gesteckt.
Nur für ein paar Tage, so hieß es, weil eine Tante aus Herzogenbusch sie zu
sich holen sollte. Aber die hat nur das Hannken mitgenommen. Und ihn nicht. Ein
paar Tage später kamen Soldaten ins Waisenhaus und holten alle großen Buben
heraus. Auch ihn, den Vincent. Sie sollten nach Berlin, um auch Soldaten zu
werden. Aber Vincent will nicht Soldat werden, sondern Bäcker wie sein Vater.
Oder Käser wie sein Onkel in Herzogenbusch. Zu dem will er jetzt hingehen.
Vielleicht nimmt der ihn ja doch auf. Und Herzogenbusch, das soll gar nicht
weit sein. Nur dass Vincent jetzt so kalte Füße hat und nicht mehr laufen kann.

    Armer Kerl! Lisbeth holt eine Schüssel mit Wasser, wäscht
ihm Nässe und Staub vom Gesicht, lässt ihn weitererzählen, von seiner Mama,
seinem Papa und wie sie gestorben sind. Auch von der Hannegret, die noch ganz
klein und dusselig ist und auf die er aufpassen muss. Lisbeth hört nur mit halbem
Ohr zu. Wenn er den Soldaten davongelaufen ist, dann ist er ein Deserteur und
wird sofort erschossen, wenn man ihn schnappt. Herzogenbusch liegt in Holland,
und wenn er womöglich an der Grenze erwischt wird, dann ist er ein
Vaterlandsverräter und wird nicht sofort erschossen. Sondern später. Zuvor
werden sie ihn peinlich befragen, um herauszufinden, ob er einem feindlichen
Bund angehört. Werden ihn so lange quälen, bis er irgendwas sagt. Dabei ist er
noch ein Kind! Also ist es nicht recht, wenn ihn die Häscher holen. Wenn es
überhaupt recht ist, dass

Weitere Kostenlose Bücher