Die Spucke des Teufels
ihren
linken Arm, bis zum Ellbogen hinauf. Immer wieder, bis es blutet. Lisbeth heult
auf vor Schmerz. Sie lässt den Striegel fallen, rennt ins Haus, setzt sich an
den warmen Ofen, verbindet sich den Arm mit einem Fetzen Nessel.
Die heilige Irmgard blinzelt vom Ölbildnis an der Wand zu
Lisbeth herab. Einer der Bettler, die sie speist, hat ein mit weißem Tuch
verbundenes Bein. Das dürre, nachlässig umwickelte Bein des Bettlers sieht fast
so aus wie Lisbeths Arm. Im Hintergrund leuchten die bunten Fenster des Kölner
Doms. So etwas Schönes wie den Kölner Dom gibt es nirgendwo sonst auf der Welt.
Nur in Köln.
Am Sonntag darauf ist der Kreutzer wiedergekommen, hat
Schlehenzweige mitgebracht. Er wolle keine Suppe und kein Schäferstündchen,
sagte er. Ja, wirklich, Schäferstündchen nannte er das. Nur einen Becher
Bier wolle er. Und dass sie sich einmal kurz zu ihm setze. Da erklärte er ihr,
dass sie ihn vorigen Freitag übervorteilt habe. Sechseinhalb Gulden für eine
Suppe! Dass sie vordem sogar die allerhochwürdigste Prinzessin Amalie von
Preußen völlig übervorteilt habe! Er sei ja dabei gewesen! Er sei Zeuge. Und es
gebe noch mehr Zeugen! Das würde Lisbeth gewiss viel Schererei und eine
Rückzahlung einbringen. Sie habe überdies ein Fass Bier einbehalten, das ihr
von der Kreismeisterei für die Leibgarde der Prinzessin zur Verfügung gestellt
worden war. Dieses Fass in der Scheune versteckt und nicht zurückgegeben zu
haben, sei aber Betrug an seiner allerhöchsten Majestät. Und würde Konsequenzen
nach sich ziehen, welche er, der Kreutzer, sich gar nicht ausmalen könne! Allein,
dass sie Bier ausschenke, obwohl sie keine Schankgenehmigung habe, könne ihre
völlige Enteignung bedeuten.
Sagte er und trank seinen Becher leer.
Wenn sie ihm aber von nun an einmal die Woche zu Willen
sein und sich nicht länger zieren und verstellen werde, ja, er sagte verstellen, dann wolle er die sechseinhalb Gulden vergessen. Ebenso das, was sie
Prinzessin Amalie abgenommen habe. Dann werde er bei der Kreismeisterei
bewirken, dass sie das restliche Fass Bier zur freien Verfügung erhalte. Und
werde sogar dafür sorgen, dass sie künftig eine Schankerlaubnis erhalte, was
gewiss einträglich wäre für das Wirtshaus und was sie sich gut überlegen solle.
Als ob sie die Wahl hätte! Lisbeth sitzt am Ofen und starrt
ins Feuer, wischt sich die Tränen ab.
Schon sitzt die Mutter mitten in der Gaststube und
häkelt an einem Spitzendeckchen.
»Eigentlich ist es nicht so schlimm, Mutter! Bin ja dran
gewöhnt.«
Die Mutter petzt die Lippen zusammen, häkelt lauter feste
Maschen.
»Erst mein Bruder, der Einhart …«
»Das Dreckschwein! War noch übler als sein Vater. Die
Schwester schänden, die Mutter aus dem Haus jagen …«
»Dann der Ochsenwirt. Jahrelang der Ochsenwirt. Irgendwann
tut es nicht mehr weh, man hält ihnen halt den Unterleib hin, bis es vorbei
ist. Dann steht man auf, wäscht sich mit viel Wasser. – Der Kreutzer ekelt mich
so, Mutter! Ekelt mich noch mehr als der Ochsenwirt, weil er so fett ist und
nach Sandelholz stinkt. Und dabei verlangt er, dass ich juchze, als ob es mir
gefallen würde.«
»Versuch, an was Schönes zu denken«, rät die Mutter, »hab
ich auch immer gemacht. Stell dir vor, du wärst eine Fee. Du trügst goldene
Schuhe und gingst damit durch die Welt. Du hättest einen Zauberstab. Und was
immer du damit berührst, wird schön und strahlend …«
»Und jeder Mann, den ich damit berühre, fällt tot um.«
»Oder so«, nickt die Mutter.
Von draußen ein Rascheln. Wie von dem trockenen Laub, das
noch immer in der Buchenhecke hängt.
Lisbeth springt auf. »Warte, Mutter, da ist was!«
Sie öffnet das Fenster, schiebt den Riegel zurück, der
die Ladenflügel zusammenhält, und späht durch die Ritze. Stockfinstere Nacht,
nur der Abglanz dichten Schnees lässt ausmachen, wo ein Busch und wo ein Baum
steht. Wieder das Rascheln. Lisbeths Herz klopft bis zum Hals. Es könnte ein Fuchs
sein, der die jungen Hühner gerochen hat. Dann muss sie hinaus und ihn vertreiben.
Es könnte aber auch ein Räuber sein! Man hört jetzt so viel von Halunken, die
aus den Städten rechts des Rheins herüberkommen. Und einbrechen! Überfallen!
Morden! Da wäre es besser, sich mit einer Bratpfanne bewaffnet im Haus zu
verschanzen.
»Wer da?«, ruft Lisbeth zum Fenster hinaus. Ihre Stimme
scharrt wie ein Blechlöffel im leeren Topf.
Keine Antwort. Lisbeth zittert vor Kälte und
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