Die Spucke des Teufels
entdeckt, baut sich davor auf, zieht ein
silbernes Ding aus der Tasche, dreht daran, äugt hinein.
»Was ist das?«, fragt Lisbeth unwillkürlich.
»Eine Pistole!«, sagt von Diest und reckt das Kinn, ohne
Lisbeth anzusehen. Er klopft mit ausholender Geste gegen die Tür.
Lisbeth staunt. Herren von Stande nehmen Pistolen, wenn sie
sich um eine Frau duellieren. Soldaten haben eigentlich Schießgewehre. – Egal,
mit beidem schießt man auf Menschen. Vielleicht wäre es das Vernünftigste,
jetzt in Ohnmacht zu fallen? Das Einzige, was Frauen in jeder Lebenslage tun
dürfen.
»Aufmachen, sonst komm ich rein!«, droht der Leutnant.
Seine Wangen laufen rot an, seine blauen Augen strahlen, während er mit der
Faust gegen die Türe hämmert.
Es muss ihm Spaß machen, Menschen zu jagen, Menschen zu
ängstigen, fährt es Lisbeth durch den Kopf. Das ist Hoffärtigkeit. Und eine
Todsünde! Darauf steht die ewige Verdammnis.
Aus der Kammer dringt kein Laut. Von Diest nimmt Anlauf,
wirft sich gegen die Tür. Die knackt und knirscht in den Fugen.
Heiliger Bartholomäus, denkt Lisbeth, schick mir bitte eine
Ohnmacht. Vielleicht kennt diese Drecksau ja doch so was wie Ehrgefühl und
schießt wenigstens nicht auf eine bewusstlose Frau.
Da! Das Stoßgebet wird erhört! Lisbeth hält sich, um
nicht allzu hart auf den Boden zu schlagen, am Treppenpfosten fest, seufzt
gedehnt, sinkt in die Knie und schließt die Lider. Horcht darauf, dass der
Leutnant zu ihr eilt, sich zu ihr herabbeugt, ihr die Wange tätschelt. Nichts
dergleichen. Stattdessen Getrappel und Gepolter, die Kammertür kracht auf, dann
ein leises Schniefen.
»Hände hoch«, sagt Leutnant von Diest so sanft, dass Lisbeth
in Gedanken ein ›Bitte!‹ mithört. Sie blinzelt vorsichtig. Da stehen sie
voreinander, der Leutnant, fast einen halben Kopf kleiner als Vincent, hält diesem
seine blinkende Pistole vor die Brust.
Vincent starrt an sich hinunter, seine Stirn legt sich
ebenso in Falten wie sein mächtiges Kinn. »Was ist das?«
»Eine Pistole!«
»Ach«, sagt Vincent, »sind die so klein!« Er greift nach
der Waffe, nimmt sie dem verdutzten Leutnant aus der Hand, besieht sich Rohr
und Kolben.
»Gib sie mir zurück! Die ist doch geladen! Vooooorsicht!«
Vincent wehrt den Leutnant ab, verpasst ihm einen Stoß
gegen die Schulter, dass er stürzt. Dabei fällt ein Schuss. Ein unglaublich
lauter Schuss.
Lisbeth hält den Atem an, öffnet ein Auge. Die Pistolenkugel
hat ein Loch in die Dielen gebohrt. Direkt vor Lisbeths Nase. Es stinkt nach
verbranntem Holz. Vincent steht wie versteinert, lässt die Pistole fallen. Von Diest
fängt sie auf, erhebt sich, doch Vincent springt schon die Treppe hinunter.
Von Diest hechtet durch den Flur, ruft: »Halt! Stehen bleiben!
Im Namen des Königs!« Er greift in seine Brusttasche, steckt ein graues Etwas
in die Pistole, es klackt blechern …
Lisbeth, immer noch am Boden, sieht von Diests Stiefel
blinken. Die treten an die oberste Treppenstufe heran. Der linke Stiefel senkt
sich zur nächsten Stufe. Da greift Lisbeth mit beiden Händen durchs Geländer,
krallt ihre Hände ins schwarze Leder.
Gepolter, dann Stille. Völlige Stille. Lisbeth rappelt
sich auf. Am Fuß der Treppe liegt der Leutnant und rührt sich nicht. Neben ihm
sein linker Stiefel. Eine Wollsocke lugt heraus. Weit ab die Pistole. Lisbeth
reibt sich die schmerzenden Handgelenke. Wartet. Überlegt. Vielleicht verstellt
er sich nur, so wie Lisbeth sich eben noch verstellt hat. Sie holt den alten
Schürhaken, den sie unter ihrem Bett verstaut hat für den Fall, dass nachts die
Räuber kommen. Oder besoffene Dragoner. Sie greift den Haken, schwingt ihn wie
eine Keule und geht die Treppe hinab, Stufe für Stufe, von Diest und seine
Pistole stetig im Blick.
»Ist der jetzt tot?«, fragt Vincent. Wie ein Erzengel
steht er in der offenen Wirtshaustür.
Lisbeth betrachtet den Leutnant aufmerksam. Seine Augenlider
sind geschlossen, aus seinem Schädel sickert Blut. Er atmet flach, aber er
atmet.
»Beinah«, sagt Lisbeth, »schnell, komm rein und schließ
ab! Hat dich einer gesehen?«
Vincent schüttelt den Kopf. »Bestimmt kommen sie her,
sobald sie ihn vermissen!«
»Wir tragen ihn in den Keller«, beschließt Lisbeth.
Vincent nimmt den reglosen Körper des Leutnants unter den
Arm und trägt ihn wie ein Bündel Reisig davon. Lisbeth geht mit dem Schürhaken
bewaffnet hinterdrein. Der nackte linke Fuß des Leutnants scharrt über
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