Die Spucke des Teufels
die
Kellertreppen. »Uaaaach«, stöhnt der. Vincent fasst nach, wirft sich den
schlaffen Körper wie einen Sack über die Schulter und geht weiter. Lisbeth erschrickt.
Der Leutnant sieht kopfüber hängend wie ein Dämon aus. Die blauen Augen
verschwinden hinter den Brauen, die Lippen öffnen sich. Sagen aber nichts.
Stattdessen zappelt der Leutnant unvermittelt los, tritt um sich, greift nach
Vincents Haarschopf.
»Huch!«, sagt Vincent und lässt von Diest fallen. Der
schlägt mit der Stirn auf dem gepflasterten Kellerboden auf, krümmt sich wie
eine Made und rührt sich nicht mehr.
»Aber jetzt ist er tot«, flüstert Vincent.
»Sieht so aus.«
Ein Klopfen an der Wirtshaustür lässt beide vor Schreck
zusammenfahren.
»Schnell«, raunt Lisbeth, »versteck dich wieder oben!«
Vincent saust los, Lisbeth richtet sich auf, ordnet ihr
Kleid, ihre Haube.
Da stöhnt der Leutnant auf, zerrt an Lisbeths Rock. »Das
bringt dich aufs Schafott, das bringt dich aufs Schafott«, gurgelt er, lauscht
auf das erneute Klopfen an der Tür, lächelt und holt tief Luft, setzt zu einem
Schrei an.
Lisbeth starrt an sich hinab. Ihre Schürze glänzt auf einmal
schneeweiß, darunter leuchten goldene Klompen. Lisbeth hat sich in eine Fee
verwandelt! Und der Schürhaken ist ihr Zauberstab. Damit berührt sie den Leutnant
an der Schläfe. Noch mal und noch mal. Der Schrei erstickt, die schönen blauen
Augen starren ins Leere, füllen sich langsam mit Blut.
»Jaaaa, der Leutnant war hier«, sagt Lisbeth den
beiden Soldaten, die vor der Tür stehen. Ihre Stimme zittert vor Aufregung. »Er
hat mich mit einer Pistole bedroht«, stottert sie, »wollte unbedingt die
Galoschen von meinem verstorbenen Mann haben.«
»Rock und Hose auch?«
»Hat alle Schränke durchsucht.«
Einer der Soldaten weist auf Lisbeths verbundenen Arm. »Hat
er das gemacht?«
Lisbeth schluchzt und schweigt. Ein guter Christ soll nur
dann lügen, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt.
»Und wo ist er jetzt?«
»Weg, einfach weg!«
»Etwa desertiert?«
»Ein Deserteur? Ja, ein Deserteur!« Lisbeth laufen Tränen
der Erleichterung über die Wangen. Die Soldaten versuchen vergeblich, sie zu
trösten.
10 Jost
Aus den Aufzeichnungen eines fahrenden Barbiers, datiert
vom Februar 1756, entdeckt 1792 in einer Erdhöhle im Reichswald zu Kleve.
Samstag, 7. Februar
Es mag jeden verwundern, am meisten verwundert es
mich ja selbst, dass es mich, kaum dass der Winter mild geworden ist, weg aus
dem altehrwürdigen Trier hierher in diese schmucklosen Nester am oberen
Niederrhein zurückzieht, wo ich wieder umsonst bei meinem Freund Willem wohnen
kann. Eine feste Bleibe in Goch aber wär mein größter Wunsch, sodass ich eine
Eingabe gemacht habe bei der Kreisverwaltung, dass man mir erlauben möge, mich
niederzulassen mit einer Barbierstube im Peerensträßchen, welches nahe beim
Marktplatz gelegen ist und wo ein Ladenraum frei steht. Wie ich die Herren vom
Rat kennengelernt hab, wird diese Bewilligung einige Zeit dauern, doch in
einstweiliger Verfügung wird man mir hoffentlich vorläufig einen steten Stand
am Markplatz zuweisen, denn ein hiesigenorts stationierter preußischer Major,
dem ich regelmäßig den Bart rasier und die Perücke pfleg, ihn mit einem
Duftwasser aus Sandelholz besprüh, hat mir bedeutet, dass er für eine
Zubilligung sorgen kann, dass dies freilich ganz geheim bleiben muss.
Er ist ein Mann von hohem Stand, dieser Major, der sich
recht herrisch und eingebildet geriert wie ein Gockel und doch stets kuscht, wenn
ich ihm um den Bart geh. Da zeigt sich, dass er im Grunde ein armer Wicht ist, weil
man ihn hier am Niederrhein verpflichtet hat, viele Tagesreisen von Potsdam
entfernt, wo seine Familie wohnt, was eine Freifrau ist nebst zwei Söhnchen,
welche Zwillinge von etwa vierzehn Jahren sind. Seiner allerhöchsten Majestät,
dem König von Preußen, aber hat es gefallen, ihn hier am Niederrhein zu
postieren in wichtiger Ordre, so erzählt er, hier das Vaterland zu schützen,
denn der Major ist ein Major ehrenhalber, hat gekämpft bei Mollwitz, Olmütz und
Chotusitz, wurde schwer verwundet in der glorreichen Schlacht bei Kesselsdorf
und hat nun, in fortgeschrittenem Alter, er dürfte Mitte fünfzig sein, diesen
hohen und wichtigen Posten bei den Kreismeistereien von Kleve und Wesel
erhalten, damit er für Ruhe und Ordnung sorgt und damit sich der Preußenkönig
der Liebe seiner hiesigen Untertanen sicher sein
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