Die Spucke des Teufels
Erstes durch die Mühle zu jagen.
Willem späht durchs Fenster. Eine dick eingemummelte
Frauengestalt hantiert am Wagen, bindet ihren Gaul am Gatter fest. Dann wendet
sie sich der Karre zu, hilft einem nicht minder dick eingekleideten Kerl
heraus. Willem wundert sich, so kalt ist es heute doch gar nicht. Der Kerl hält
ein Öllämpchen unbeholfen in die Höhe, hebt das Gesicht, betrachtet die Mühle.
Willem hat ihn noch nie gesehen. Den Gaul schon, wem gehört der doch gleich?
Jetzt dreht sich das Weib um, ihr Näschen erscheint als Schattenriss.
Das ist Lisbeth! Willems Herz setzt einen Takt aus. Stell
dich schlafend, sagt seine gekränkte Seele. Was wird sie wollen?, meldet sich
die Neugier. Dann verstummen alle Gedanken. Wie ein Schlafwandler tappt Willem
die Stiege hinunter, geht zur Tür und schiebt den Riegel zurück.
»Grüß dich, Müller«, sagt Lisbeth.
Willem sackt das Herz in die Hose. Immer nennt sie ihn Müller. Und nicht Willem. Kennen sie sich nicht schon ewig? Ist er nicht immer
freundlich zu ihr gewesen? Einen Freund nennt man nicht beim Nachnamen. Guten
Abend, Ochsenwirtin, will er sagen, doch er kriegt nur ein knappes »’n
Abend« über die Lippen und blickt beharrlich an ihrem Gesicht vorbei.
»Ich wollt fragen …«, sagt Lisbeth. Fragt aber nichts.
Zieht stattdessen den Kerl aus dem Dunkel, schiebt ihn durchs Türblatt,
postiert ihn vor Willems Nase. Ein Halbwüchsiger. Steht da wie ein Fragezeichen.
»Mein Neffe Franz«, sagt Lisbeth und gibt dem Bub einen
Schubs, damit er einen Diener macht. »Er will nämlich Müller werden. Und da hab
ich mir gedacht …«
Wieder redet sie nicht weiter, schweigt, als ob klar wäre,
was sie sich so denkt. Was in dem Fall immerhin stimmt.
Willem überlegt. Einen Knappen könnte er gebrauchen. Der
Bub scheint noch etwas jung, aber kräftig genug. Allein wenn er die Kornsäcke
die Stufen hinauf zum Steigseil wuchten könnte, wäre er eine Hilfe.
»Geht klar!«, sagt Willem und versucht einen strengen
Blick. »Er kann Montag anfangen. Gegen Kost und Bett. Bis ich sehe, was er
kann!«
Der Bub nickt und will schon aus der Tür. Aber Lisbeth
druckst herum. Montag sei doch erst in fünf Tagen. Ob er nicht vielleicht schon
morgen – er sei so eifrig, der Bub, so klug, und sie könnt ihn nichts lehren.
Und ihr Bruder, der ja der Vater sei, würde gern auch ein Lehrgeld zahlen.
So viel hat Willem die Lisbeth noch nie am Stück reden
hören. Haspelt alles herunter, als hätte sie es auswendig gelernt. Der Franz
zieht den Kopf ein.
Er ist ihr ein ungelegener Besuch, schätzt Willem die Sache
ein. Ist im Weg, wenn der Major zu ihr kommt. Sie will halt keinen dahaben, der
ihrer Verwandtschaft erzählen kann, mit wem sie das Bett teilt.
Nein!, will Willem sagen, zuckt aber nur missmutig die
Achseln.
»Danke, Müller!«, Lisbeths Augen strahlen wie selten.
Willem steigt ein altbekannter Schmerz zwischen die Rippen.
Die Strahlenäuglein gelten dem Major, nicht ihm! Der Schmerz zieht bis hinab in
die Lenden und bis hinauf zu den Haarwurzeln. Dabei hat er gedacht, er wär
schon drüber weg! Er hilft, die Habseligkeiten des Burschen ins Haus zu tragen,
verspricht, ihm das Bett zu richten. Ja, er will alles allein erledigen, damit
sie nur endlich wieder geht! Und atmet erst auf, als er den Karren davonfahren
hört.
Nach ein paar Tagen zeigt sich, dass der Franz
recht anstellig ist. Und allmählich taut er auf, erzählt von Krefeld, wo er
herkommt, und von seiner Schwester Hannegret, die eine ziemliche Kratzbürste sei,
aber immer so lustige Sachen sage, dass man lachen muss. Dabei wischt sich der
Bub schnell eine Träne aus dem Augwinkel. Von seinen Eltern erzählt er gar
nichts, schüttelt nur den Kopf, wenn Willem nach ihnen fragt.
Ob er Heimweh habe, will Willem wissen.
Da schüttelt der Franz seine Pausbacken so arg, dass man
fürchten könnte, die fallen gleich herunter von dem ansonsten recht schmal
geschnittenen Gesicht. Er wär ja froh, dass er jetzt hier wär, denn er wolle so
gerne Müller werden. Manchmal sagt er Bäcker statt Müller und
verbessert sich nur halbherzig, als sei das fast das Gleiche.
Aber arbeiten kann er! Wie ein Pferd schuftet er, hebt
die schweren Säcke, leert sie über der Schütte aus, schleppt die Pfosten für
die Schleuse her und hin.
Drei Wochen später mag Willem ihn schon gar nicht mehr
missen. Und deshalb legt er sich zurecht, was er Lisbeth alles vorschlagen
will, damit der Franz als Mühlknappe
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