Die Spucke des Teufels
wie Unkraut und verdränge die Tartoffel. Vielerorts mähten
daher die Bauern die Pflanze noch vor der Blüte ab, um deren Identität zu
verbergen. Die Pflanze treibe aber unterirdisch weiter.
»Die Bauern«, ergänzt von Sydow mit neckischem Augenaufschlag,
»tun unschuldig, so man sie ertappt, und behaupten, das tückische Kraut habe
sich selbst vermehrt und die Tartoffeln nicht wachsen lassen.«
»Soll das etwa heißen, dass wir nirgends – auch in
unserem Königreich nicht – genau wissen, was da angepflanzt wird?«
»So ist es wohl leider, Sire!«
Der König ächzt, als habe Er eine entscheidende Schlacht
verloren, erhebt sich, rennt durch die nächstgelegene Flügeltüre hinaus und
schließt sie hinter sich. Von Wolzogen blickt sich um. Was ist davon zu halten?
Wie soll er dieses Geschehnis zu Protokoll bringen? Die Versammelten scheinen
nicht weiter irritiert, bedienen sich selbst mit Kaffee, Schokolade, Obst und
Kuchen.
»Greifen Sie ruhig zu, junger Mann! Solche Einladungen
wie diese genießen wir nicht alle Tage«, raunt ihm sein Tischnachbar von Zieten
zu.
Von Wolzogen nimmt gehorsam eine kandierte Aprikose und
beißt ohne Appetit darauf herum. Sein Blick wandert die Gemäldegalerie entlang
und bleibt an dem größten Exponat hängen. Ein rätselhaftes Bild, mittig
durchteilt und sorgsam wieder verleimt. Das Motiv stellt wohl eine Art
Handelskontor dar, in der Gemälde und allerlei andere Wohnaccessoires verkauft
werden. Links im Bild packen Männer ein Ölbildnis des Franzosenkönigs Louis
XIV. in eine schlichte, mit Stroh ausgelegte Holzkiste, wobei das Objekt
lieblos gekippt wird, um weiteren Gemälden Platz zu machen. Rechts demonstriert
eine Händlerin einen offenbar wertvollen Spiegel, doch ihre Kunden scheinen eher
sich selbst darin zu betrachten, als den kunstvollen Rahmen zu würdigen. Im
Hintergrund kniet ein Herr mit Allongeperücke vor einer Darstellung barocker
Nacktheiten und studiert die Details mit einem Lorgnon. Von Wolzogen ist
verwirrt. Was für ein dreistes Bild!
»Gefällt Ihnen der Watteau?«, fragt von Zieten und schmunzelt,
als habe er einen derben Witz erzählt.
»Das ist von Watteau? Mir scheint, er macht sich ein wenig
über sein Publikum lustig.«
»Nicht schlecht beobachtet! Es war übrigens ursprünglich ein
Türschild. Watteau hat es im Auftrag eines Pariser Kunsthändlers gemalt, der es
begreiflicherweise nicht verwenden wollte. Seine Majestät hat es gekauft und
vor der Zerstörung bewahrt. Er hat Humor, unser König, nicht wahr?«
Von Wolzogen nickt und versucht ein Lächeln, wendet sich
schließlich dem Stillleben an der Schmalseite des Zimmers zu, einer
unverfänglichen Darstellung diverser Früchte in einer Porzellanschale.
Nach einer Viertelstunde kehrt Se. Majestat in bester
Laune zurück und verkündet der strammstehenden Versammlung, man werde diese Topinambur
vor Ort bekämpfen, wo immer sie auftrete, sie aber weder öffentlich benennen
noch verbieten. Denn dies würde nur die Neugier der Untertanen erhöhen und für die
Weiterverbreitung der Frucht sorgen.
»Die Topinambur seyndt totzuschweigen«, fasst Se. Majestät
zusammen.
Alle Anwesenden müssen geloben, hierüber Stillschweigen
zu bewahren. Dieser Teil der Unterredung soll nicht ins Protokoll!
»Jawoll, Sire!«, ruft Giselher von Wolzogen und malt, nicht
ohne Bedauern, einen breiten Strich quer über die letzten beiden Seiten seiner
Notizen.
Die Tartoffel aber, so verkünden Se. Majestät weiter,
soll nun erst recht als ein in den meisten deutschen Landen hochgeschätztes
Gewächs sowie als Delikatesse propagiert werden. Sie soll auf den königlichen Feldern
in großem Stil angebaut werden, auf dass ihre lila Blüten weithin leuchten.
Die hohen Herren salutieren und dürfen sich wieder setzen,
denn die Tafel ist noch keineswegs leer gegessen.
»Vielleicht«, wirft von Wolzogen zwischen zwei Schluck
Schokolade ein, »könnten Eure Majestät den Anbau in den Provinzen doch noch ein
wenig forcieren?«
Von Sydow lächelt, als habe ein Kind gesprochen.
Auch Se. Majestät schmunzelt. »Wenn Ihr mir eine Methode
consellieren könnt.«
Von Wolzogen wirft sich ins Zeug: »Mittels in den Regionen
angeworbener einfacher Dragonerheere, Sire, die die Milde Sr. Majestät nicht
recht kennen und nicht darauf eingeschworen sind. Sie werden sich ohne
spezielle Instruction lediglich den Zielen Eurer Majestät verpflichtet fühlen
und könnten, da sie unter nur regionaler Aufsicht sind,
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