Die Spucke des Teufels
den
Soldatenkönig nennen, den Krieg bloß gespielt hat«, so hört Giselher von Wolzogen
im Geiste seinen Oheim schimpfen, »der Sohn nun aber blutig ausficht, wovon all
seine Ahnherren immer nur geträumt haben.«
»Es ist äußerst schwer geworden, Sire, die Männer im Land
für den Soldatendienst zu akquirieren«, meldet Graf von Finckenstein. Von
Freiwilligkeit, fährt er fort, könne kaum eine Rede sein. Jeder drücke sich, wo
er kann.
»Und wie schätzt unser junger Pazifist die Lage ein?«
Die Frage Sr. Majestät trifft von Wolzogen gänzlich unvorbereitet.
Die Kakaotasse, die er gerade zum Mund führen will, kippelt zwischen Daumen und
Mittelfinger, der Inhalt droht zu verschwappen. Flugs setzt er sie ab und sieht
auf. Die Glupschaugen sind auf ihn gerichtet, umgeben sich mit Schmunzelfältchen.
»Es ist – ist vielleicht und nur ganz verschiedentlich – bekannt
geworden, dass Se. Majestät strenge Formen der Soldatenwerbung vermeiden und
Milde gegenüber Verweigerern zeigen«, haspelt von Wolzogen in der Hoffnung, den
ersten Eindruck eines kriegsmüden Zauderers wettzumachen. »Dies ermuntert
möglicherweise einzelne Subjekte, sich dem Dienst für das Königreich zu
verweigern, was sich wiederum nachteilig auf die gesamte militärische Räson
auswirkt.«
Se. Majestät kaut nachdenklich an einer kandierten Aprikose,
legt die Hand unters Kinn und sagt endlich, nachdem Er den königlichen Mund geleert
hat: »Vraiment, dies seynd eine treffliche Beobachtung!«
Graf von Finckenstein erhebt sich, schlägt die Hacken zusammen
und referiert, wo es zu Fällen offenen Desertierens gekommen ist: Stettin, Züllichau-Schwiebus,
vor allem aber in den Provinzen am Niederrhein. Im Kreis Kleve seien just
innert nur einer Woche ein frisch Rekrutierter sowie ein hoher Offizier
adeligen Standes geflohen – vermutlich nach Holland.
Die königliche Miene verdüstert sich. »Wir werden verfügen,
dass speziell am Niederrhein kein Mann zum Dienste in Preußens Armee mehr angeworben
werden soll. Die dortige Bevölkerung taugt nicht zum Kriegsdienst. Sie ist
schlaff und weichlich, und wenn ein Klever von zu Hause fortgeht, kriegt er
Heimweh.«
Giselher von Wolzogen entspannt sich, greift beherzt zu
einem Stück Rosinenbrot.
Wieder wechselt Se. Majestät abrupt das Thema. Man müsse
das Volk, dem die jungen und kräftigen Männer fehlen werden, im Vorfeld wappnen
für die unvermeidbaren Kriegshärten. Sr. Majestät Untertanen seien alles andere
als zahlreich, sodass sie nicht wieder um ein Viertel aussterben dürften wie damals,
im Hungerwinter 1739/40. Man müsse für den Fall, dass strenger Frost eintritt,
Vorsorge hinsichtlich der Nahrung für Mensch und Vieh treffen. Dazu eigne sich
vortrefflich diese Tartoffel, die Er dem Bauernstande schon seit vielen Jahren
ans Herz lege. – Ob die Felder im Land damit nun hinreichend bestellt seien,
will Se. Majestät en detail von Flügeladjutant und Agrarkommissar Sebastian von
Sydow wissen.
Der betagte Herr mit Allongeperücke und Monokel, dem von
Wolzogen bis zu diesem Augenblick keine Beachtung geschenkt hat, erhebt sich
träge. »Der feldmäßige Anbau kommt durchaus voran, Sire, freilich nicht in dem
Maße, wie Sire es wohl erhoffen.«
»Sind nicht rings um Berlin die königlichen Felder mit
den Tartoffeln bestellt, wie bereits im vorigen Jahr von Uns instruiert?«
»Gewiss, Sire! Und die Bauern wurden, wie von Eurer Majestät
empfohlen, mit einer List dafür interessieret«, erwidert von Sydow und lächelt
angestrengt. Die Anpflanzungen seien dergestalt aufwendig von Feldschützen
bewacht worden, dass sie den Anrainern als besondere Delikatesse erscheinen
mussten. Und so seien nächtens denn auch plangemäß einige Pflanzen entwendet
worden.
»Haha«, General von Zieten klatscht in die Hände, »eine
vorzügliche List Eurer Majestät!«
»… die übrigens von einem französischen Agronom, einem
gewissen Parmentier, kopiert wurde«, beeilt sich Generalmajor von Seydlitz zu
ergänzen.
Die lichten Brauen über den Glupschaugen heben sich gelangweilt.
»Zu viel der Akklamation! Erwähnter Parmentier hat bereits vor Jahren Ähnliches
versucht, wie Uns von Unserem Freund Voltaire zugetragen wurde. Es war diese Narration,
die Uns zu ähnlicher Methode inspiriert hat. – Jedoch mit mäßigem Erfolg, wie
Wir nun vernehmen müssen.«
»Es sind sehr wohl Tartoffelpflanzen entwendet worden«, wiederholt
von Sydow, doch seien die Bauern von der ergatterten
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