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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Theiss
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nachlässig zusammen, setzt sein Monokel ab und geht
zurück in die Konzertkammer.

    Von Wolzogen ist verwirrt, hebt das Tüchlein auf. Es ist
aus feinstem Batist. Ein geschwungenes FR aus Silberfäden ist in die Ecke eingestickt.
Er eilt hinaus, überreicht es Kammerdiener Wilsnack.

    »Se. königliche Majestät hat dieses Textil verloren!«

    Wilsnack legt den Kopf schief, nimmt das Tüchlein wortlos
entgegen. Ein Anflug von Spott umspielt seine Lippen.

    Von Wolzogen verabschiedet sich von der noch immer tafelnden
Runde hoher Herren und wendet sich zum Gehen. Er wird das Gefühl nicht los,
etwas ganz Entscheidendes falsch gemacht zu haben.

13     Jost

     
    Aus den Aufzeichnungen eines unbekannten fahrenden Händlers,
undatiert, entdeckt 1812 in einer Ruine nahe Goch.

    Donnerstag

    Immer wenn ich lange allein umhergereist bin, ohne
ein stetes und wärmendes Knäuel von Menschen um mich herum, denke ich darüber
nach, ob es nicht doch richtiger wäre, mir ein Weib zu nehmen und Kinder zu
machen, damit sie mir eine liebe Familie sind und mir eine Heimat für mein Herz
geben. Doch wenn ich jetzt erleben muss, was mein Freund W. mit dem Weib
durchlebt, in das er sich verguckt hat, und mit dem Bub, der bloß ihr Neffe
sein soll und es nicht einmal ist, dann bin ich doch wieder froh um meine Wahl,
im Junggesellenstande geblieben zu sein.

    Den ganzen Abend hat W. gezetert, weil sie ihn belogen
hätt und weil sie ihm nicht vertraut hätt und so weiter, denn natürlich würde
er keinen Menschen je an die Geier von der Kreismeisterei verpfeifen, schon gar
nicht so einen jungen Burschen, es sei denn, er wär ein Mörder oder
Gewalttäter. Aber der Bub, der wär ja ein ganz lieber Bub und nur den Häschern
davongelaufen, was sein gutes Recht wär, so jung, wie er wär! Und wenn das
alles unser König wüsst, der große und gerechte Friedrich, dann würd der aber
dreinschlagen, dass die ganze Bagage in der Kreismeisterei und der Garnison
ausgetauscht würd, und es gäb eine Degradierung und ein Spießrutenlaufen für
alle. So quatscht der gute W. in einem fort und ich kann seine wilde Empörung
ja zu gut verstehen, weil ich weiß, dass er ganz vernarrt ist in sie und
beleidigt ist, weil sie einen andern erhört, einen von den preußischen
Militärs, wie es scheint. Und weil er seit Jahren nicht weiß, wohin mit all
seinen Säften, spuckt er sie halt mit seinem Gezeter aus, dass in der Stube die
Fensterscheiben beschlagen. Und was macht die Schöne? Hockt da, blickt ihn an
wie ein waidwundes Reh einen männchenmachenden Wildeber, schweigt, wendet sich
ab und starrt ins Feuer. Was eine komische Szene ist, weil doch sonst die
Weiber wortgewaltig zu zetern pflegen und die Männer dazu schweigen und in die
Flammen gucken.

    Das Komischste an der Sache aber ist, dass die beiden
sich benehmen, als stünden sie schon unterm Galgen, bloß weil sie den Bub eine
kleine Weile beherbergt haben. Selbst wenn der Bursche jetzt so dumm ist und
bei der Kreismeisterei seinen richtigen Namen sagt und wenn er so überkandidelt
deppert ist, sein Tagebuch nicht ordentlich zu verstecken, wie ich das immer
mache, sodass es nämlich niemals jemand findet, und wenn doch, die Orte, Zeiten
und Personen nicht auszumachen sind, dann werden seine beiden Schutzhelfer wohl
wirklich von der Kreismeisterei vernommen und man droht ihnen vielleicht die Eiserne
Jungfrau an, was aber müßig wäre, weil der König sie längst verboten hat und
jeder das weiß. Also können sie steif und fest dazu stehen, nicht gewusst zu haben,
dass der Bub ein Deserteur ist.

    Aber den beiden beliebt es, sterbenstraurig auf ihren
gepackten Bündeln zu hocken und zu warten, dass die Tür aufgeht, die Häscher
hereinkommen und sie festnehmen. W. hat mir geraten, noch vor der Nacht zu
verschwinden, fast befohlen hat er es mir, damit ich nicht auch noch in die
vermaledeite Scheiße hineingerate, was ich gar nicht fürchte, aber ich denk,
dass er gern mit ihr allein sein will und dass er, wenn er schon sein letztes
Stündlein für geschlagen hält, noch mal rauf will auf sie, weil er ja doch ganz
spitz ist auf sie, obwohl er alles verdirbt, wenn er andauernd mit ihr zetert.
Ich nächtige also wieder einmal auf meinem Wagen, wie ich es oft tue, bleibe
aber in der Nähe und beobachte das Haus, wie es traulich unter dem hellen
Mondlicht glitzert.

     
    Freitag

    Die Häscher haben sich nicht blicken lassen, die
ganze Nacht nicht und den frühen Morgen auch nicht. Stattdessen hat sich

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