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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Theiss
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Vincent als Deserteur gilt. Aber
bei ihm, dem Willem, war keiner. Ihm kann also keiner so leicht einen Vorwurf
machen. Nein, da hilft es nichts, wenn die Lisbeth sich bockig anstellt. Zur
Gendarmerie in Geldern geht er, der Willem! Lisbeth soll sich derweil in der
Mühle verstecken und tun, als wär sie verreist.

    »Besser, sie versteckt sich bei mir im Planwagen«,
schlägt Jost vor. »Und wir warten hinterm Geldener Stadttor, nachdem wir dich
hingefahren und abgesetzt haben. Falls sie den Vincent doch als Deserteur
erkannt und ausgeliefert haben, ist Lisbeth bei mir besser aufgehoben.«

    Damit ist Lisbeth endlich einverstanden. In der Nacht zum
nächsten Montag schnürt sie sich ein Bündel, versorgt die Mähre, die Hühner,
die Katzen und verschließt das Gasthaus. Willem hisst die Fahne mit dem Querkreuz
auf dem First seiner Mühle, was weithin heißt ›Kein Betrieb heute‹, und in
Josts Planwagen fahren sie am frühen Morgen eilig nach Geldern, wo die Tore
zwar streng bewacht, aber für einen amtlich bestellten Pachtmüller aus
Hommersum ohne Verzug geöffnet werden.

    Die Gendarmerie ist in einem ausgedienten Wachturm gleich
neben der Stadtmauer untergebracht und beherbergt in den oberen Stockwerken ein
kleines Gefängnis. Bis zum Dach hinauf sind die Fenster mit Eisenstäben vergittert.
Als könnte aus solcher Höhe jemand abhauen, denkt Willem und verkneift sich ein
Kopfschütteln.
    Am Eingang, vor der schweren Eisentür mit dem Stadtwappen,
wartet ein gutes Dutzend Leute, alle mit einem Papier in der Hand und einem
missmutigen Blick ins Leere. Ein hagerer, ganz in Schwarz gekleideter Knilch
mit laffen Backen und etwas zu großem Dreispitz kommt von Zeit und Zeit heraus,
brüllt: »Der Nächste!«, worauf er den Vordersten in der Reihe wie einen
Strafgefangenen abführt und die Türe hinter sich zudonnert.

    Die Gestalten in der Warteschlange stehen geduckt, reden
wenig, und wenn, dann Holländisch. Willem würde sich mit seiner Klever Mundart
spitze Bemerkungen einhandeln. Also schweigt er und lächelt so gleichmütig, wie
es eben geht, bis er an der Reihe ist.

    Die Laffbacke greift endlich auch ihn am Arm, führt ihn
durch einen abgedunkelten Flur in ein karges, nach ranzigem Öl stinkendes
Zimmer. Über eine der Wände erstreckt sich eine Täfelung mit vier winzigen
Fensterchen, die sind alle mit einem Tuch verhängt, wie Beichtstühle, sodass
man hineinsprechen kann. An einem einzigen Fensterchen ist das Tuch zur Seite
gezogen.

    »Wird’s bald!« Die Laffbacke schubst Willem hin.

    Auf einem kunstvoll gedrechselten Holzstuhl mit Armlehnen
thront ein graugesichtiges Männlein in preußischer Uniform.

    »Womit kann ich dienen?«, brabbelt es, ohne Willem anzusehen.

    Womit er dienen kann? Willem staunt. Komische
Frage!

    »Womit kann ich dienen?«, wiederholt das Männlein, lauter
und strenger.
    Da fällt Willem ein, dass der Preußenkönig gesagt haben
soll, er sei der erste Diener seines Staates. Vielleicht hat der
seltsame Ausdruck damit zu tun? Oft ist es ja so, dass ein Wort nicht genau das
trifft, was es sagt.
    Also besinnt sich Willem und haspelt herunter, was er
sich schon in der Nacht zurechtgelegt hat: »Ich hab gehört, dass im Geldener
Gebiet ein Bub aufgegriffen worden sei. Und ich wüsst gern, ob das mein Neffe
Franz Müller aus Trier ist, denn den hat mir meine Schwester in Obhut gegeben.
Und vor ein paar Tagen ist er mir abgehauen.« Willem atmet erst mal durch, nachdem
er so viele Unwahrheiten über die Lippen gebracht hat, ergänzt dann rasch, was
wirklich stimmt, nämlich eine kurze Beschreibung von Vincent.

    Da wird das Männlein beinahe fröhlich. »Wir haben hier
einen Bub, einen ganz verstockten, der den Mund nicht aufkriegt. Aber für Dreie
frisst. Wenn das dein Neffe ist, kannst ihn gleich mitnehmen! – Schorsch, bring
mal den Vielfraß runter!«

    Schorsch lässt sich Zeit, das Männlein greift unterdessen
nach einem Stempel, wischt mit einem schmutzigen Sacktuch den runden Holzgriff
blank, gähnt, hängt den Stempel an seine staubige Halterung zurück. Endlich
öffnet sich ein Türchen an der Rückwand und herein wird Vincent geführt, mit Eisenketten
an den Füßen, zerlumpt und mit merklich eingesunkenen Pausbacken. Um seinen
Hals hängt eine Tafel mit der Nummer GE/19/1756.

    »Heißt du Franz Müller?«, fragt das dienende Männlein.

    Vincent hebt den Kopf, erkennt Willem und nickt.

    »Dein Onkel kommt dich holen!«

    Vincents Miene entspannt sich. Er rennt Willem

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