Die Spucke des Teufels
Planwagen los, klettert hinein, taumelt
den Augenblick später schreiend wieder heraus, beide Hände vor den Hosenlatz gepresst.
Das Wölfken jault mit.
»Das hat sie früher nie gemacht«, versichert der
Franz und versucht, kaum dass er sich erholt hat, sein Glück noch mal aus
sicherer Distanz. Ruft ihr zu, dass er doch der Vincent ist, dass er doch ihr
Bruder ist, spricht von der lieben Mutter, dem Vater, der Bäckerei und den
vielen Kuchen, von dem Garten, wo sie immer Räuber und Prinzessin gespielt und
so viel gelacht haben …
Endlich tritt Hannegret in voller Gestalt aus der Plane heraus,
umhüllt von einem grauen Filz, aus dem ein schreiend rotes, viel zu kurzes
Kleidchen hervorblitzt. Sie steckt einen Daumen in den Mund, drückt sich ein
schmutziges Hasenfell ans Ohr. Und schweigt. Ihr Blick fliegt über den Gehweg,
das Wirtshaus, den Hund an der Kette, über Lisbeth und Willem hinweg, bleibt an
Franz hängen – nichts. Sie umklammert ihr Hasenfell wie ein Hungernder einen
Laib Brot und verschwindet hinter den Planen.
Der Franz bricht in Tränen aus, muss mit viel Baldrian und
noch mehr guten Worten getröstet werden. Willem lenkt, zur Vorsicht mit einem
Stock bewaffnet, den Wagen mit der kleinen Hannegret in die Scheune für den
Fall, dass Regen oder ein kalter Wind aufkommt, und zieht mit Franz und Jost zu
Fuß zur Mühle. Für den nächsten Tag ist in aller Herrgottsfrühe eine Fuhre aus
Kevelaer mit sechs Sack Roggen angekündigt, da werden jede Hand und jeder
Buckel gebraucht.
Lisbeth bedient zwei Handlungsreisende, die am Abend
einkehren, mit Bier, Brot und einem frischen Bett, wartet geduldig, bis sie
schlafen. Dann huscht sie zur Scheune hinüber, legt eine Wolldecke ab, stellt
einen Topf mit warmem Giesbrei hin, flüstert nichts als »Gute Nacht, kleine Hannegret«
und geht davon.
»Was müssen die ihr angetan haben!«, sagt die Mutter, die
im Ofenfeuer auf Lisbeth gewartet hat, schwebt zum runden Tisch und mischt
einen Stapel Tarockkarten. Den haben die fremden Handlungsreisenden liegen
lassen.
Lisbeth holt sich eine Tasse Milch, etwas Honigbrot,
zieht einzelne Karten aus dem Stapel, betrachtet kauend die Bilder. Schellen,
Schwerter, Herzen, Blumen, ein König, eine Dame, ein Narr …
»Schade, dass ich’s nie gelernt habe, sie richtig zu
lesen.«
»Lässt sich nachholen«, versichert die Mutter, mischt die
Karten erneut und legt mehrere kleine Stapel aus. Lisbeth weiß noch, mit
solchen Karten konnte die Mutter hellsehen. Sie deckte sie nacheinander auf und
machte eine Geschichte aus den Bildern. So ein bisschen stimmte die Geschichte
immer.
Da! Im ersten Stapel sind ein Wagen, ein Narr, ein Blitz.
Der Narr ist der Held, er sitzt im Wagen und hat Angst. Jetzt folgen das Ass,
die Zwei und die Drei, keine Dame, kein Bube – das heißt, dass der Narr allein
ist, keine liebenden Menschen bei sich hat.
Ein feiner Luftzug strömt in die Wirtsstube, lässt die Kerze
aufflackern und stülpt die lose auf dem Tisch liegende Narrenkarte um und
nochmals um, bis sie vor der dampfenden Milchtasse liegen bleibt.
Lisbeth staunt.
»Das bedeutet, dass der Narr vom Wagen ist und noch
Hunger hat«, sagt die Mutter und deutet zur Tür, die einen Spalt weit
aufklappt.
Lisbeth erschrickt. Da steht ein Wollflieshaufen mit Kapuze
und Hasenfell, bückt sich und reicht die leere Griesbreischale durch den
Türspalt.
Das Wölfken, das zusammengerollt neben dem Ofen döst,
öffnet ein Auge.
Lisbeth springt auf. »Willst noch was haben, Hannegret?
Milch vielleicht? Ein bisschen Honigkuchen?«
Die Flieskapuze nickt heftig.
Lisbeth geht zur Tür, füllt Milch aus ihrem eigenen Becher
in die Schale, reicht einem ausgestreckten schmutzigen Händchen ein Stück
Kuchen. Das Händchen stößt zu wie ein Falke, zieht sich in den Wollflieshaufen
zurück, der im gleichen Augenblick in die Dunkelheit entschwindet.
Lisbeths Herz schmerzt vor Enttäuschung.
»Kannst doch nicht erwarten, dass es so schnell geht wie
bei den Tarockkarten«, sagt die Mutter.
Honigkuchen mit Nüssen
Vermische ein Pfund Weizenmehl mit je einer Prise gemahlener
Nelken, Zimtstangen, Anissamen und geriebener Muskatnuss. Hacke drei Handvoll
Nüsse sehr klein. Löse einen Teelöffel Pottasche und einen Teelöffel Hirschhornsalz
getrennt voneinander in etwas Wasser auf.
Rühre nun ein halbes Pfund Honig und ein halbes Pfund
Rübenkraut mit drei Esslöffeln Wasser an und erhitze sie so weit, dass ein
eingetauchter
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