Die Spucke des Teufels
Lavendelsträuße, die Strohsäcke – da findet sie in der Bettstatt vom Luis
etwas Buntes, ein zerfleddertes Büchlein mit lauter Bildern. Lisbeth staunt.
Nackte Menschlein sind dort abgebildet in seltsam gewundener Stellung, Frauen und
Männer, deren Leiber sich umeinander wickeln, ineinander verkeilen, rückwärts,
seitwärts, waagerecht, lotrecht … Sie lächeln, die Menschlein, blicken verklärt
den Betrachter an. Die Brüste der Frauen sind groß wie Kohlköpfe, die
Geschlechtsteile der Männer von einem riesigen Efeublatt verdeckt. Vielleicht
sollen die seltsamen Figuren das Alphabeth darstellen? Oder Ziffern? Runen?
Lisbeth findet mühsam ein Teiwaz, ein Hagalaz, ein Jera, ein lateinisches T,
eine 4 findet sie auch. Alles andere scheint keinen Sinn zu geben. Lisbeth
blättert weiter. Alle Bücher haben ein Deckblatt, das weiß Lisbeth. Und tatsächlich
entdeckt sie eine Seite, auf der richtige Buchstaben stehen, große lateinische
Buchstaben. Lisbeth entziffert: K-u-n-s-t d-e-r L-i-e-b-e! Das klingt schön.
Aber wieso denn ›Liebe‹?
Lisbeth besieht sich die Bilder noch einmal. Bei all den
gewundenen Leibern bedecken die riesigen Efeublätter keineswegs nur die
Geschlechtsteile der Männer, sie zeigen vielmehr genau die Stelle auf, wo das
Glied des Mannes in den Leib der Frau eindringt! Pfui Teufel! Lisbeth schmeißt
das Büchlein zum Abfall, wischt sich die Hände an der Schürze ab.
»Männer betrachten sich gern so was«, sagt die Mutter,
die in der Küche hockt und Mohrrüben schält.
»Die Weiber in dem Büchlein sehen glücklich aus«, wun-dert
sich Lisbeth. »Gelt, die Männer bilden sich gern ein, dass Weiber es auch
mögen?«
Die Mutter zuckt die Achseln.
»Der Kreutzer hat von mir verlangt, dass ich juchze und
stöhne, dass ich dabei Ja, Ja, Ja rufe. Immer musst ich heucheln, dass ich ihn
mögen tät. Einmal musst ich sogar sagen: ›Ohne dich, Heribert, könnt ich nicht
mehr leben.‹« Lisbeth lacht. »So blöde war nicht mal der Ochsenwirt, sich einzubilden,
dass ich ihn lieb hab!«
Lisbeth holt den Absinth aus der Kammer, schenkt sich und
der Mutter ein winziges Gläschen davon ein. Der Absinth tut gut, ist so bitter,
brennt die Bitternis in Lisbeths Kehle fort.
Verbrennen wird Lisbeth das Büchlein! Sie fischt es aus
dem Abfall, fasst es zwischen Daumen und Zeigefinger, schmeißt es ins
Ofenfeuer, betrachtet, wie die Flammen es ansengen, mit schwarzen Zähnen
allmählich fressen. Doch da lodern die Flammen auf, lodern rot und gelb,
verstecken die Mutter im Rauch, gebären langsam den Indianer, erst den Kopf,
dann die Arme, die Beine, zuletzt den Leib. Ohne Federschmuck und ganz nackend
steht er vor Lisbeth, nur ein übergroßes Efeublatt bedeckt seine Scham.
Lisbeth hält den Atem an. Wie schön er ist! Viel schöner
als die Männlein in dem zerfledderten bunten Buch. Und so rot! Seine Muskeln
glänzen im Licht, sein Haar fällt wie Seide auf die mächtigen Schultern herab.
Seine abgrundtiefschwarzen Augen ziehen Lisbeth zu sich heran. Wie magisch ist
das. Er küsst Lisbeth auf die Lippen, küsst sie, wie niemals zuvor jemand sie
geküsst hat, drückt seine feuchten Lippen in Lisbeths vor Schreck offenen Mund,
drängt mit seiner Zunge an Lisbeths Zunge, saugt Lisbeth auf. Und Lisbeth saugt
ihn auf. Wie trockene Erde die ersten Regentropfen aufsaugt.
»Aber ihre Seele gehört dem Herrn Jesus Christus«, sagt
der heilige Bartholomäus, der unvermittelt aus dem Schrein steigt, sich
bekreuzigt und wieder verblasst.
»How«, sagt der Indianer leise, hebt Lisbeth empor, trägt
sie die Stiege hinauf bis in die Wäschekammer, bettet sie auf einen Berg
frischer Laken, blickt ihr tief in die Augen, streichelt ihre Ohren, ihren
Nacken, ihre Schultern. Niemals zuvor hat jemand Lisbeth dort gestreichelt! Es
ziept den ganzen Leib hinauf und hinunter und Lisbeth windet sich wie die
Frauen auf den bunten Bildern in Luis’ Büchlein. Lisbeths Kleider fallen wie
von selbst von ihr ab und der schöne Indianer streichelt Lisbeths Brust, Lisbeths
Bauch, Lisbeths Scham. Zart und hart zugleich. Niemals zuvor hat jemand Lisbeth
so gestreichelt! Sie krallt ihre Hände um seine Muskeln, spürt, wie sich sein
Glied an ihren Leib drückt, spürt seinen heißen Atem. Lisbeths Lenden bäumen
sich auf, drängen ihm entgegen, pochen wie verrückt. Lisbeth beißt in die Laken,
um nicht laut zu kreischen, ihr Herz erhebt sich auf einer Wolke, ein
Sternenregen umgibt sie …
Dann ein Ruf, ein Ruf von weit
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