Die Spur der Füchse
armer Schlucker gestorben ist.«
»Aber als ehrlicher Mann!«
»Bist du sicher?«
»So etwas will ich nie wieder hören! Du weißt verdammt gut, daß dein Vater eine ehrliche Haut war.«
»Du solltest nicht fluchen, Mom.«
»Und du solltest mich nicht ärgern.«
Worauf Tony schweigend weiteraß und seine Mahlzeit beendete. Dann kippte er seinen Tee hinunter und wickelte eine Zigarre aus ihrer Zellophanhülle.
Mrs. Cox beugte sich vor und nahm Tonys Tasse. »Möchtest du noch Tee?«
Tony blickte auf die Uhr. »Nein, danke. Ich muß noch ein paar Dinge erledigen.« Er zündete die Zigarre an und erhob sich. »Hat mich richtig in Schwung gebracht, dein Frühstück.«
Seine Mutter machte schmale Augen. »Hast du wieder ein krummes Ding vor?«
Die Frage ärgerte Tony. Er stieß eine Wolke Zigarrenrauch aus. »Das geht niemanden was an.«
»Tja, du mußt es selbst wissen. Dann mach jetzt, daß du wegkommst. Wir sehen uns später. Und paß auf dich auf.«
Tony schaute seine Mutter für einen Augenblick an. Auch wenn sie nachgab, war sie eine starke Frau. Seit der Vater gestorben war, hatte sie die Familie allein durchgebracht; sie hatte die Fäden bei der Hochzeit ihrer Söhne gezogen; sie hatte sich von dem einen Sohn Geld geliehen, um es dem anderen zu borgen; sie hatte Ratschläge erteilt und dabei ihre Mißbilligung klug genutzt, um Kapital daraus zu schlagen.
Außerdem hatte Mrs. Cox sich erfolgreich allen Bemühungen widersetzt, sie zum Umzug von der Quill Street in einen netten kleinen Bungalow in Bournemouth zu bewegen, weil sie – vollkommen zutreffend – vermutete, daß ihr altes Haus und die damit verbundenen Erinnerungen ein machtvolles Symbol ihrer Autorität darstellten. Früher hatte stets ein Ausdruck monarchischer Arroganz auf ihrem Gesicht mit seiner langen, geraden Nase und dem spitzen Kinn gelegen. Auch jetzt noch, Jahre später, war ihre Miene hoheitsvoll, wenngleich sie die Bitterkeit einer abgedankten Königin widerspiegelte, die eingesehen hatte, daß es besser war, die Zügel der Macht aus der Hand zu geben, und es gleichzeitig bedauerte. Tony erkannte, daß seine Mutter ihn genau deshalb brauchte: Er war jetzt der König, und solange er bei ihr wohnte, befand sie sich in unmittelbarer Nähe des Thrones. Und Tony liebte seine Mutter, weil sie ihn brauchte. Denn außer seiner Mutter brauchte ihn niemand.
Sie stand auf. »Tja, was ist nun? Gehst du jetzt?«
»Äh … ja.« Tony, der völlig in Gedanken versunken war, legte ihr den Arm um die Schultern und drückte sie kurz an sich. Einen Kuß gab er ihr nie. »Tschüs, Mom.« Er nahm seinen Mantel, tätschelte den Hund und verließ das Haus.
Im Innern des Rolls-Royce war es heiß. Tony drückte auf den Knopf des elektrischen Fensterhebers und ließ die Seitenscheibe ein Stück herunter; dann kuschelte er sich in den ledernen Fahrersitz und fuhr los.
Er genoß das Gefühl, in seiner Nobelkarosse zu sitzen, als er sie nun durch die engen Straßen von East End lenkte. Der Kontrast zwischen dem schamlosen Luxus des Rolls-Royce und den schäbigen Mietskasernen und schmutzigen Straßen erzählte die Geschichte von Tony Cox’ Leben. Die Leute starrten den Wagen an – Hausfrauen, Zeitungsjungen, Arbeiter, kleine Gauner – und sagten einander: »Das ist Tony Cox. Der hat’s geschafft.«
Lässig schnippte Tony die Asche von der Zigarrenspitze durch den Fensterschlitz. Ja, er hatte es wirklich geschafft. Mit sechzehn Jahren hatte er sich für sechs Pfund seinen ersten Wagen gekauft. Dreißig Shilling hatte er auf dem Schwarzmarkt für eine Blanko-Zulassung hingelegt. Dann hatte er die Zulassungspapiere auf den Wagen ausgestellt und ihn anschließend für achtzig Pfund weiterverkauft.
Binnen kurzer Zeit betrieb Tony einen schwungvollen Handel mit Gebrauchtwagen, der sich nach und nach zu einem legalen Geschäft entwickelte. Dann verkaufte er seine Gebrauchtwagenhandlung mitsamt des Fahrzeugbestandes und investierte den Gewinn – fünftausend Pfund – ins Wucher-und Schwindelgeschäft.
Das ging so: Mit den fünftausend Pfund eröffnete Tony ein Bankkonto, wobei er als Bürgen den Mann eintragen ließ, dem er seine Gebrauchtwagenhandlung verkauft hatte. Tony nannte dem Bankangestellten seinen richtigen Namen, aber eine falsche Anschrift – dieselbe falsche Anschrift, die er dem Käufer der Gebrauchtwagenhandlung gegeben hatte.
Daraufhin mietete er ein Lagerhaus und zahlte drei Monatsmieten im voraus. Er kaufte Radios, Fernseher und
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