Die Spur der Füchse
Hi-Fi-Anlagen direkt vom Hersteller – allesamt kleine Lieferungen – und verkaufte die Geräte an Londoner Einzelhandelsgeschäfte weiter. Die Lieferanten wurden auf der Stelle mit Schecks bezahlt, was kräftige Bewegungen auf Tonys Bankkonto zur Folge hatte. Binnen zweier Monate machte er geringe Verluste und erwarb sich den Ruf der Kreditwürdigkeit.
Damit war der Zeitpunkt gekommen, eine Reihe größerer Bestellungen aufzugeben. Die Lieferanten, die Tony bislang prompt mit Schecks über ein paar hundert Pfund bezahlt hatte, gaben sich die Klinke in die Hand, um Tony zu günstigen Kreditzinsen nun Waren im Wert von drei-, viertausend Pfund zu liefern; denn Mr. Tony Cox schien sich zu einem Großabnehmer zu entwickeln.
Als Tonys Lagerhaus von teuren elektronischen Geräten, für die er keinen Penny bezahlt hatte, aus allen Nähten platzte, veranstaltete er einen Räumungsverkauf. Farbfernseher, Plattenspieler, Digitaluhren, Tonbandgeräte, Verstärker und Radios gingen für Dumpingpreise über den Ladentisch; manche Stücke für die Hälfte des durchschnittlichen Einzelhandelspreises. Binnen zweier Tage war das Lagerhaus wie leergefegt und Tony Cox um dreitausend Pfund in bar reicher. Er stopfte das Geld in zwei Koffer, verschloß das Lagerhaus und ging nach Hause.
Trotz der Hitze im Wagen fröstelte Tony, als er an diese alte Geschichte dachte. Ein solches Risiko würde er nie wieder eingehen. Man stelle sich vor, dachte er, einer meiner Lieferanten hätte von dem »Räumungsverkauf« Wind bekommen, oder der Geschäftsführer der Bank hätte mich ein paar Tage später in einer Kneipe gesehen.
Natürlich betätigte Tony sich noch immer sporadisch im Wucher-und Schwindelgeschäft, allerdings benutzte er nun Strohmänner, die einen langen Urlaub in Spanien verbrachten, sobald die Sache über die Bühne war. Niemand bekam Tonys Gesicht zu sehen.
Doch inzwischen waren seine geschäftlichen Aktivitäten sehr viel weiter gefächert: Er besaß Wohnungen in der Londoner Innenstadt, die er zu Wucherpreisen an junge Damen vermietete; ihm gehörten Nachtclubs; ja, er war sogar Manager mehrerer Popgruppen. Einige seiner Projekte waren legal, einige kriminell; andere waren eine Mischform, und wieder andere bewegten sich an der nebulösen Grenzlinie zwischen Recht und Kriminalität, an der sich das Gesetz nicht entscheiden kann, die aber von ehrbaren Geschäftsleuten, die einen Ruf zu verlieren haben, nicht betreten wird.
Natürlich wußten die Bullen über Tony Bescheid. Heutzutage gab es so viele Spitzel, daß es niemand mehr zu einem geachteten Gangster bringen konnte, ohne daß sein Name in einer Akte bei Scotland Yard auftauchte. Doch für die Polizei bestand das Problem darin, an Beweise heranzukommen, zumal es mehrere Scotland-Yard-Beamte gab, die bereit waren, Tony gegen ein Entgelt vorzuwarnen, wenn eine Razzia angesetzt war. Er war nie knauserig, was die Summen betraf, die er in dieses Frühwarnsystem investierte. Jeden August gab es in Benidorm drei oder vier Londoner Polizistenfamilien, die sich auf Tonys Kosten in der Sonne braten ließen.
Aber deshalb vertraute er den Bullen auf seiner Schmiergeldliste noch lange nicht. Sie waren nützlich, klar, aber sie alle redeten sich auch ein, eines Tages ihre Treueschuld bei Vater Staat abtragen zu müssen, indem sie Tony ans Messer lieferten. Auch ein bestochener Polyp war und blieb letztendlich ein Polyp. Deshalb erfolgten alle derartigen Transaktionen nur in bar; es wurden keine Bücher über Schmiergelder geführt, außer in Tonys Kopf, und sämtliche Aufträge wurden seinen Mitarbeitern mündlich übermittelt.
In zunehmendem Maße trat Tony ohnehin nur noch als Makler und Finanzier in Erscheinung, das war sicherer. Zum Beispiel: Ein Hintermann bekam eine InsiderInformation und dachte sich einen Plan aus. Daraufhin tat er sich mit einem Ganoven zusammen, der die nötigen Verbindungen besaß, um die erforderlichen Leute und die Ausrüstung zu besorgen. Dann wandten die beiden sich an Tony und erläuterten ihm den Plan. Wenn Tony der Plan gefiel, borgte er den beiden Bargeld für die Bezahlung der Schmiergelder und die Anschaffung der Waffen, Fahrzeuge, Sprengstoffe oder was immer sie brauchten. Wenn sie den Coup gelandet hatten, zahlten sie Tony das Fünf-oder Sechsfache der geliehenen Summe zurück.
Doch der Coup, den Tony am heutigen Tag landen wollte, war nicht so einfach. Diesmal war er Hintermann, Finanzier und Ausübender zugleich und mußte deshalb
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