Die Spur der Füchse
reizbar gewesen, als er von der Konferenz beim Chefredakteur zurückgekommen war. Er hatte sich an seinen Platz am Redaktionstisch gesetzt und seinen Reportern auf die übliche Art und Weise eine geballte Ladung verschiedener Anweisungen erteilt. Dann hatte er Kevin zu sich gerufen und ihm gesagt, er solle sich ihm gegenüber an den Tisch setzen – ein sicheres Zeichen dafür, daß er Kevin zur Minna machen wollte, wie es unter den Reportern genannt wurde.
Doch Kevin erlebte eine Überraschung. Statt sich wegen seines peinlichen Kurzauftritts in der Konferenz einen Anpfiff einzuhandeln, hatte Cole sich für den Anruf interessiert, den Kevin erwähnt hatte.
»Wie hat sich die Stimme angehört?« fragte Cole.
Kevin erwiderte: »Es war ein Mann mittleren Alters. Kein Londoner Akzent, eher aus einer ländlichen Gegend. Essex oder Surrey, würde ich sagen. Der Mann hat seine Worte mit Bedacht gewählt … vielleicht ein bißchen zu vorsichtig. Könnte sein, daß er betrunken war oder völlig mit den Nerven runter.«
»Dann ist es nicht die Stimme, die ich heute morgen gehört habe«, überlegte Arthur laut. »Mein Anrufer war jünger und hatte einen Cockney-Akzent. Was hat dein Anrufer gesagt?«
Kevin las seine stenographischen Notizen vor: »Ich bin Tim Fitzpeterson, und ich werde von zwei Personen erpreßt, die Laski und Cox genannt werden. Ich möchte, daß Sie die beiden Hurensöhne zur Schnecke machen, wenn ich nicht mehr bin.«
Arthur schüttelte ungläubig den Kopf. »Das war alles?«
»Nun ja, ich habe den Mann gefragt, womit die beiden ihn erpressen. Darauf hat er geantwortet: ›Herrgott, ihr seid doch alle gleich‹, und dann hat er aufgelegt.« Kevin hielt inne und wappnete sich gegen einen Anschnauzer. »War das die verkehrte Frage?«
Arthur zuckte die Achseln. »Allerdings. Aber die richtige fällt mir auch nicht ein.« Er nahm den Telefonhörer und wählte, dann reichte er Kevin den Hörer. »Fragen Sie ihn, ob er in der letzten halben Stunde bei uns angerufen hat.«
Kevin räusperte sich, lauschte für einen Moment, drückte den Hörer an die Schulter und schaute Arthur an. »Besetzt.«
»Tja, da kann man nichts machen.« Arthur klopfte die Taschen seiner Jacke ab auf der Suche nach Zigaretten.
Kevin erkannte die Symptome. »Du hast das Rauchen aufgegeben, stimmt’s?«
»So ist es.« Arthur kaute auf den Nägeln. »Weißt du«, fuhr er dann fort, »das wirksamste Druckmittel eines Erpressers gegenüber einem Politiker ist die Drohung, sich an die Zeitungen zu wenden. Deshalb würde der Erpresser uns erst als letztes Mittel anrufen und uns die Geschichte erzählen; denn damit gibt er ja seine Trumpfkarte aus der Hand. Und weil andererseits das Opfer die Zeitungen fürchtet, ruft es uns auch nicht an und sagt uns, daß es erpreßt wird.« Mit der Stimme eines Mannes, der nach einer scharfsinnigen Darlegung zur letztendlichen Schlußfolgerung gelangt, erklärte er: »Deshalb halte ich die ganze Sache für einen Schwindel.«
Kevin verstand die Bemerkung als Aufforderung, sich wieder an die Arbeit zu begeben. Er stand auf. »Tja, dann mache ich jetzt mit der Ölstory weiter.«
»Nein«, sagte Arthur. »Wir müssen dieser Sache nachgehen. Am besten, du fährst zu dem Burschen raus und stattest ihm einen kleinen Besuch ab.«
»Ja, klar!« Kevin war begeistert.
»Und bevor du das nächste Mal eine Redaktionskonferenz unterbrichst, setzt du dich erst mal hin und zählst langsam bis hundert.«
Kevin grinste. »Wird gemacht.«
Je länger Kevin darüber nachdachte, desto geringer schätzte er die Chance ein, daß die Erpressungsstory jemals zu Papier gebracht wurde. Im Auto hatte er sich in Erinnerung zu rufen versucht, was er über Tim Fitzpeterson wußte. Der Mann galt als gemäßigt konservativ. Er besaß einen Hochschulabschluß in Wirtschaftswissenschaften, galt als clever und hatte den Ruf, Experte auf dem Gebiet der Rohstoffgewinnung zu sein. Doch um Erpresser mit Rohstoff zu versorgen, schien er nicht aufgeweckt und einfallsreich genug zu sein. Kevin erinnerte sich an ein Foto von Fitzpeterson und Familie: eine farblose Frau und drei schüchterne kleine Mädchen an einem Strand in Spanien. Der Politiker hatte auf dem Bild unsäglich häßliche KhakiShorts getragen.
Auf den ersten Blick schien das Gebäude, vor dem Kevin nun stand, als Liebesnest ziemlich ungeeignet zu sein. Es war ein schmutziggraues Mehrfamilienhaus aus den dreißiger Jahren in einer Seitenstraße von Westminster. Wäre
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