Die Spur der Füchse
Wenn es ein Nachbar ist, dachte Kevin, könntest du ihn fragen …
Der Anblick des hochgewachsenen jungen Polizisten, der aus der Aufzugskabine trat, erschreckte Kevin. Er fühlte sich ertappt und verfluchte den verräterischen Portier. Doch zu seinem Erstaunen begrüßte der Constable ihn respektvoll, indem er die Hand an die Mütze legte.
»Sie müssen der Bruder des Herrn Staatssekretär sein«, sagte der Polizist.
Kevin schaltete schnell. »Hat der Portier Ihnen schon Bescheid gesagt?« fragte er.
»Ja.«
Kevin schoß rasch eine weitere Frage ab. »Und warum sind Sie gekommen?«
»Ich wollte nur nachschauen, ob mit Ihrem Herrn Bruder alles in Ordnung ist. Er ist heute morgen nicht zu einer Konferenz erschienen, und telefonisch kann man ihn nicht erreichen, weil der Hörer nicht aufgelegt ist. Diese hohen Politiker müßten eigentlich ständig ihre Bodyguards um sich haben, nicht wahr? Aber die wollen ja nicht.« Er schaute zur Tür.
»Macht er nicht auf?«
»Nein.«
»Tja, wissen Sie vielleicht, was los ist? Ich meine, Sie sind doch bestimmt hierhergekommen, weil Sie sich Sorgen machen. Daß Ihr Bruder krank sein könnte, sich unpäßlich fühlt oder anderswohin gerufen wurde.«
Kevin sagte: »Na ja, er rief mich heute morgen an und hat einen ziemlich … niedergeschlagenen Eindruck gemacht. Deshalb bin ich hergekommen.« Kevin spielte ein gefährliches Spiel, das wußte er. Aber bis jetzt hatte er noch nicht gelogen. Außerdem war es für einen Rückzieher ohnehin zu spät.
Der Polizist sagte: »Vielleicht sollten wir uns beim Portier den Wohnungsschlüssel holen.«
Das wollte Kevin nicht. »Ich frage mich«, sagte er, »ob wir nicht besser rasch die Tür aufbrechen sollten. Mein Gott, wenn er krank da drin liegt …«
Der Polizist war jung und unerfahren, und die Aussicht, eine Tür aufbrechen zu dürfen, schien ihm zu gefallen. Er sagte: »Glauben Sie wirklich, es könnte so schlimm sein?«
»Wer weiß. Und was die Tür angeht … so arm sind die Fitzpetersons nun auch wieder nicht.«
»Gewiß nicht, Sir.« Jetzt brauchte der Polizist keine Ermutigung mehr. Versuchsweise drückte er die Schulter gegen die Tür. »Ein kräftiger Stoß …«
Kevin stellte sich dicht neben ihn, und dann warfen sich beide gleichzeitig gegen die Tür. Die Lautstärke des Aufpralls war ungleich eindrucksvoller als seine Wirkung. Kevin sagte: »In Spielfilmen sieht das immer kinderleicht aus, hab’ ich recht?« Dann biß er sich auf die Zunge; die Bemerkung war unpassend flapsig.
Der Polizist schien es gar nicht gehört zu haben. »Noch mal«, sagte er.
Diesmal legten beide ihr ganzes Gewicht in den Schwung. Die Tür splitterte, und der im Türblatt befestigte Teil des Schlosses wurde abgerissen und fiel zu Boden, als die Tür krachend nach innen flog.
Kevin ließ dem Polizisten den Vortritt. Als er ihm in den Flur folgte, sagte der Mann: »Nach Gas riecht’s schon mal nicht.«
»Ist wahrscheinlich alles elektrisch in den Wohnungen«, äußerte Kevin seine Vermutung.
Von dem winzigen Flur gingen drei Türen ab. Durch die erste gelangte man in ein kleines Badezimmer. Kevin erhaschte den Blick auf eine Reihe von Zahnbürsten und einen mannshohen Spiegel. Die zweite Tür stand offen und gewährte den Blick in die Küche, die aussah, als wäre sie vor kurzem von einer Sondereinheit durchwühlt worden. Dann gingen beide Männer durch die dritte Tür und erblickten auf Anhieb Fitzpeterson.
Er saß in einem Stuhl hinter seinem Schreibtisch, den Kopf auf die Arme gebettet, als wäre er bei der Arbeit eingeschlafen. Doch es lagen keine Papiere auf dem Schreibtisch, nur das Telefon, ein Glas und eine Flasche standen da. Die Flasche war klein und aus braunem Glas mit weißem Plastik-Schraubverschluß und einem weißen, von Hand beschriebenen Aufkleber – die Sorte von Fläschchen, wie Apotheker sie unter anderem für Schlaftabletten benutzten.
In Anbetracht seiner Jugend durchschaute der Polizist die möglichen Zusammenhänge ziemlich schnell. Mit sehr lauter Stimme sagte er: »Mr. Fitzpeterson, Sir!« Dann durchquerte er das Zimmer, ohne stehenzubleiben, und stieß die rechte Hand unter dem Morgenmantel an die Brust des Mannes, um festzustellen, ob dessen Herz noch schlug. Schließlich sagte der Polizist: »Er lebt noch.«
Der junge Constable schien die Sache nun in die Hand nehmen zu wollen. Er winkte Kevin zu sich. »Sprechen Sie zu ihm!« forderte er ihn auf. Dann zog er ein MiniFunkgerät aus der Brusttasche und
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