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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Schulter hoch und legte die Hände um den Becher, während sie mühsam nach Worten suchte.
    »Ich sah ihn blutüberströmt auf einer Wiese liegen … Und ich habe dieses Bild schon einmal gesehen, vor Jahren … Damals dachte ich, es betrifft Markgraf Dietrich … Aber es war sein Sohn!«
    Bestürzt zog er sie in seine Arme. Sein Verstand raste.
    Gerade hatte er einen Knappen verloren, verloren an die Gier nach Macht und Besitz. Er gab sich keinen Illusionen hin, dass Jakob lediglich den Befehlen seines Vaters Gehorsam erweisen wollte, denn er hatte den Triumph in den Augen des Jungen aufblitzen sehen, nun doch seinen Bruder zu übertreffen, an dessen Vorbild er nicht heranreichte.
    Christian war sich sicher, dass Konrad durch das Vorbild seines Vaters besser gegen solche Versuchungen ankam und dass ersich in aller Ernsthaftigkeit darauf vorbereitete, einmal seine Markgrafschaft gerecht zu regieren. Doch vor dem Tod im Kampf konnte er ihn nur schützen, indem er ihn so gut wie möglich ausbildete. Und selbst das bot keine Sicherheit.
    »Wenn ein Großangriff auf das Dorf droht, lasse ich ihn nach Meißen eskortieren«, beschloss Christian. »Oder zu den Zisterziensern.« Auf halbem Weg nach Meißen bauten die grauen Mönche im Auftrag Ottos ein Kloster, das im kommenden Jahr bezogen werden sollte.
    »Gut.« Marthe atmete tief durch. Sie zögerte einen Moment, aber er erkannte, dass ihr etwas auf dem Herzen lag.
    »Da ist noch etwas, das ich dir sagen muss.«
    Besorgt musterte Christian ihr schmal gewordenes Gesicht. Ihre Züge waren von Sorgen gezeichnet, ihre Augen umschattet. Etwas zog sich in ihm zusammen, und er musste wieder an seinen Streit mit Lukas denken, seine Befürchtung, die Folter könnte sie gebrochen haben. Würde sie je zu ihrem altem Mut zurückfinden, zu der Entschlossenheit, die er an ihr so schätzte und liebte?
    Vielleicht erwartete er zu schnell zu viel von ihr. Es war falsch gewesen, sie an diesem Kriegsrat teilnehmen zu lassen, warf er sich vor. Vielleicht hätte er sie überhaupt nicht hierher bringen dürfen. Und statt vor ihr über das nächste Blutvergießen zu reden, das ihnen bevorstand, hätte er sie lieber zu Johanna in den Kräutergarten schicken oder bei Mechthild lassen sollen, damit die sie mit ihren Klatschgeschichten unterhielt.
    Marthe holte tief Luft für ihre nächsten Worte. »Letzten Herbst, als die Wegelagerer den Silbertransport überfielen, da spürte ich es in dem Moment, als Blut floss. Clara fing im gleichen Augenblick an zu weinen. Möglich, dass ich mich irre. Aber ich habe sie genau beobachtet in den letzten Wochen … und ich fürchte … sie hat das auch schon …«
    Christian war sprachlos angesichts dieses Geständnisses.
    »Sie ist noch keine zwei Jahre alt! Wie sollen wir sie bewahren und schützen?«, rief Marthe verzweifelt. »Da ich doch selbst nicht weiß, wie ich so leben kann – immer auf der Hut vor Sebastian, immer in Angst vor Randolf … in Angst um dich und alle, die ich liebe!«
    Marthe hob die zitternden Hände und ließ sie dann in den Schoß sinken. »Ich bin noch keine zwei Tage hier und fürchte schon, das nicht auszuhalten. Ich schäme mich für meine Feigheit. Ich sitze da und warte. Warte, dass irgendetwas passiert! Und es wird etwas Schreckliches passieren, das ist unausweichlich …«
    Mutlos fuhr sie fort: »Du hattest recht. Es ist nicht mehr das Dorf, das ich kenne.«

Im Verborgenen
    Am nächsten Morgen begann Marthe, unter den argwöhnischen Blicken von Pater Sebastian Kranke zu behandeln. Zuvor noch schickte sie Johanna in das Haus ihres Bruders; offiziell, um Karls hochschwangerer Frau zur Hand zu gehen. Sie wollte das Mädchen, so gut es ging, der allumfassenden Kontrolle von Sebastian entziehen.
    Hans und Friedrich, die beiden Fuhrleute, kamen als Erste und baten Marthe wie schon so oft um etwas Rotöl gegen den schmerzenden Rücken und das Reißen in den Händen.
    »Ich muss den Pater holen lassen«, sagte sie, als sie die beiden alten Bekannten hereinbat, denen sie zum ersten Mal begegnetwar, als sie mit der Siedlerkolonne unter Christians Führung zum Dunklen Wald zog.
    »Wir haben davon gehört«, meinte Friedrich, der ältere der beiden Brüder, und blinzelte ihr aufmunternd zu, während er über seinen ergrauenden Bart strich.
    Schon stand Sebastian in der Tür, als ob er nur darauf gewartet hätte, zu Marthe gerufen zu werden. Gibt es weiter nichts für ihn zu tun?, dachte sie bei sich.
    Christian hatte gleich nach ihrer

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