Die Spur der Hebamme
Ankunft darauf bestanden, dass Till den Pater durch ihren Kräutergarten führte, und sie war nachträglich doppelt froh, ihn wie einen Klostergarten angelegt zu haben.
Nun forderte Sebastian, ihre Vorräte an Medikamenten durchzusehen. Er wühlte sich rücksichtslos durch die sorgfältig aufgehängten Bündel getrockneter Pflanzen, entstöpselte Krüge und roch an ihrem Inhalt, ließ sich jede einzelne Mixtur genau erklären, während Marthe innerlich vor Wut zu kochen begann.
»Darf ich jetzt beginnen?«, fragte sie schließlich mit mühsam verhohlener Ungeduld. »Diese Männer hier leiden Schmerzen, ich will sie nicht länger als nötig warten lassen.«
Mit hoheitsvoller Miene gab Sebastian sein Einverständnis. »Oh, ich kann warten«, ließ Friedrich seine kräftige Stimme ertönen. »Tut nur Eure Pflicht, Pater, damit jeder sicher ist, dass alles hier gottgefällig zugeht. Das Reißen in den Händen plagt mich schon so lange, da kommt es auf einen halben Tag nicht mehr an.«
Verwundert blickte Marthe auf Friedrich, der ihr wieder zuzwinkerte, während er ihr seine Pranken entgegenstreckte.
Der ältere der Brüder nahm ihr Können regelmäßig in Anspruch, weil ihm die schwer verspannten Muskeln immer wieder den Rücken steif werden ließen, während es doch Hans war,der über gichtige Hände klagte. Aber die verschmitzte Miene des Fuhrmanns bedeutete ihr, keine Fragen zu stellen. Wollte er verhindern, dass Sebastian es als anstößig verurteilte, wenn sie seinen Rücken berührte?
Mit Bedacht sprach sie laut ein Gebet, bevor sie Friedrich das Johanniskrautöl einmassierte. Schaden konnte es nicht, sicher würden dem Fuhrmann von seiner Arbeit bei Wind und Wetter auch die Hände oft schmerzen.
»Ah! Es wird schon viel besser!«, dröhnte Friedrich. »Das muss das Kraut bewirken, das den Namen des Täufers trägt. Es tut Wunder wie der Heilige, nach dem es benannt ist. Nicht wahr, Pater?«
Dem so Angesprochenen blieb nichts anderes übrig, als mürrisch zuzustimmen.
Hans sandte Marthe hinter Sebastians Rücken ein Verschwörergrinsen. Nun begriff sie und lächelte verborgen zurück. Die als Spaßvögel bekannten Brüder hatten sich diese kleine Vorstellung ausgedacht, um ihr beizustehen.
Und sie waren nicht die Einzigen. Nach den Fuhrleuten kam Bertha, um sie mit todernster Miene um Engelswurz gegen die fahrenden Winde zu bitten, der Nächste wollte Mariendistel, und so fragte den ganzen Vormittag lang ein Dorfbewohner nach dem anderen nach Heilkräutern, die Heiligennamen trugen.
Marthe war gerührt und bald sogar heimlich belustigt angesichts dieser vielen Sympathiebekundungen. Schließlich konnte Sebastian nicht wissen, dass kaum einer der Besucher wirklich an der Krankheit litt, über deren Beschwerden er wortreich klagte. Sie hatte keine Ahnung, wer dieses Schauspiel organisiert hatte, aber so konnte sie es ertragen, dass Sebastian nicht von ihrer Seite wich und seine Nase in jedes Salbentöpfchen steckte, das sie hervorholte.
Ich bin gespannt, wie das bei der nächsten Entbindung wird, dachte sie grimmig. Ob er wohl aufs Dach kriecht und durch das Abzugsloch späht?
Bei Geburten durften keine Männer zugegen sein. Deshalb hatte sie über Lukas als Mittelsmann mit der Hurenwirtin verabredet, dass sie sich treffen würden, wenn Agnes niederkam. Derzeit sah es bei ihrer Schwangerschaft nicht nach Schwierigkeiten aus, und die Geburt des ersten Kindes dauerte in der Regel lange. So Gott wollte, fand sie wie die meisten zur Nacht statt, und Tilda konnte sich unbemerkt zu ihr gesellen wie eine der Gevatterinnen, die stets bei einer Entbindung dabei waren.
Trotz des vergnüglichen Auftakts – die fast ständige Gegenwart des aufdringlichen Geistlichen, die Art, wie er ihr immer dichter auf den Leib rückte, um ja nichts zu verpassen, seine nörgelnde Stimme, die ständigen Einmischungen und selbst der säuerliche Geruch, der von ihm ausging, zerrten mehr und mehr an Marthes Nerven. Bald musste sie alle Kraft zusammennehmen, damit ihrer Hände nicht zitterten, und befürchtete, jeden Moment die Beherrschung zu verlieren. In ihrer rechten Schläfe machte sich wieder der altbekannte pochende Schmerz bemerkbar, während sie der unangenehmen Überlegung nachhing, ob sie wohl dem neuen Kaplan bei der allerersten Beichte gestehen durfte, ausgerechnet gegen einen Geistlichen abgrundtiefen Hass zu empfinden.
Angesichts dessen war Marthe beinahe froh darüber, dass die Mehrzahl der Dorfbewohner wenig
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