Die Spur der Hebamme
sie Ablenkung haben. Sie können mit meinen Kindern spielen,Thomas wird sich wie üblich bei den Pferden herumtreiben … Du hast recht, das hier ist jetzt kein guter Ort für sie.«
Natürlich hatte Thomas aufgeschnappt, dass sein Vater tot sein sollte, und von Marthe Auskunft gefordert. »Es ist eine Lüge, dass Vater tot ist, nicht wahr?«, fragte er, und seine Augen bettelten um Bestätigung. »Sie haben ja damals auch gesagt, dass du tot bist. Und du bist wiedergekommen.«
Was sollte sie ihm antworten? Sie wusste ja selbst nicht, ob es eine Ahnung oder nur dumme, blinde, vergebliche Hoffnung war, dass sein Vater noch lebte.
Marthe war erleichtert, bald wenigstens ihre Kinder in besserer Umgebung zu wissen. Denn sie selbst fühlte sich aufgerieben zwischen Trauer und Schmerz.
Lukas, dessen Wunde nur langsam zu heilen begann, ging es kaum anders. Nur dass er sich zu alledem auch noch mitschuldig fühlte am Tod seiner Gefährten.
Beim Begräbnis von Gero, Richard, Herwart und den anderen standen sie beide nebeneinander. Jedes Wort blieb ihnen im Hals stecken, ihre Augen brannten, und ohne einen Blick zu wechseln, wussten sie, dass der andere das Gleiche dachte und den gleichen Schmerz fühlte. Neben ihnen stand Konrad, der vergeblich um Fassung kämpfte. Er hatte darauf bestanden, bis zu diesem Tag zu warten, bevor er auf die Order seines Vaters hin zu dessen Burg Landsberg ritt.
Die nächsten, sengend heißen Tage verstrichen, ohne dass es Neuigkeiten von Christian gab. Tage, während derer sie versuchten, mit dem Gedanken zu leben, dass so viele ihrer Vertrauten tot waren und Christian möglicherweise auch.
Eine Woche war seit dem Begräbnis von Christians Männern vergangen, als der Haushofmeister vor Marthe auftauchte, während sie gerade Lukas’ Verband erneuerte.
»Dame Marthe, der Markgraf wünscht Euch unverzüglich zu sprechen.«
Die unerwartete Aufforderung ließ Marthe zusammenzucken. Hatte Otto Nachricht von Christian?
Lukas schüttelte kaum merklich den Kopf, als sie ihn fragend ansah. Er wusste nicht, was der Markgraf von ihr wollte, aber auch er befürchtete, dass es nichts Gutes sein könnte. Rasch strich er sich den Ärmel glatt und stand auf, um sie zu begleiten.
Im Palas wartete Otto schon, umgeben von einigen seiner Vertrauten, darunter zu Marthes Erstaunen auch Ekkehart. Er musste wohl gerade erst auf dem Burgberg eingetroffen sein.
Seine Anwesenheit verstärkte noch ihr ungutes Gefühl. Sie suchte Hedwigs Blick, die sie voller Mitgefühl ansah, und machte sich auf schlechte Neuigkeiten gefasst. Doch Ottos Worte kamen so unerwartet, dass sie sie wie ein Hammerschlag trafen.
»Dieser verdienstvolle Ritter und bewährte Kämpfer«, begann der Markgraf und wies mit dem Kinn auf Ekkehart, »hat mich um Eure Hand gebeten. Wir sollten nicht zu lange warten, Euch wieder zu verheiraten. Deshalb habe ich beschlossen, seinem Wunsch zu entsprechen. Eine überaus gute Verbindung für Euch. Und für mich die Gewähr, dass von nun an endlich Ruhe und Frieden in Christiansdorf herrschen.«
Marthe starrte erst den Markgrafen fassungslos an, dann Ekkehart, dessen ansonsten unbewegte Miene unverkennbar zufrieden wirkte.
Der Saal schien sich um sie herum zu drehen, bis sie sich für eine Antwort gesammelt hatte.
»Mein Fürst, ich
bin
verheiratet. Noch gibt es keine Gewissheit, dass Christian tot ist.«
Der Markgraf sah sie fast mitleidig an. Dann winkte er einen jungen Mann herbei, der – seiner staubigen Kleidung nach – womöglich gerade mit einer Botschaft angekommen war.
Otto räusperte sich fast verlegen. »Ich wollte Euch den Anblick ersparen, meine Liebe. Aber wenn es keinen anderen Weg gibt, Euch vom Tod Eures Mannes zu überzeugen …«
Er ließ sich von dem Boten ein Kästchen geben und bedeutete Marthe, es entgegenzunehmen. »Seht hinein.«
Mit zittrigen Händen öffnete Marthe das Kästchen und unterdrückte nur mit Mühe einen Schrei. Drinnen lag ein schrumpliges Stück Fleisch.
»Landgraf Ludwig hat uns auf Bitten meines Schwiegersohnes Christians Herz zugesandt. Euer Mann ist tot. Wir trauern mit Euch und bedauern den Verlust eines tapferen Ritters. Aber Ihr müsst Euch damit abfinden.«
Im ersten Moment war Marthe zumute, als würde der Boden unter ihren Füßen schwinden. Nur unbewusst nahm sie wahr, dass Lukas rasch an ihre Seite trat und ihren Arm ergriff, um sie zu stützen.
Ihr einziger Gedanke: Es ist eine Lüge! Dieses Herz könnte wer weiß wem gehören, es
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