Die Spur der Hebamme
Schwester.
»Borg mir mal dein Kleid, Anna.«
Die Kleine starrte ihn verwundert an, aber Peter nahm sie einfach an der Hand und zog sie zu den Ställen. Wenig später tauchten beide wieder auf: Peter in Annas Kleid, das ihr zu groß gewesen war und ihm gut passte, Anna, mit hochrotem Kopf, in eine alte Decke gewickelt.
»Was soll denn das?«, schimpfte Mechthild.
Peter grinste sie breit an, nahm aus dem Korb mit dem Flickzeug ein Tuch und band es sich um den Kopf. Dann hob er den Rock mit zwei Fingern leicht an, knickste tief, klimperte mit den Wimpern und piepste mit verstellter hoher Stimme: »Die edle Gemahlin des Burgvogts hat befohlen, dass ich ab heute in ihrer Küche helfen soll.«
Mechthild und Kuno starrten ihn an.
»Perfekt«, sagte Bertram, der inzwischen dazugekommen war.
»So geht er wirklich als Küchenmagd durch.«
Mechthild, inzwischen vom Fieber genesen und mit altbekannter Energie, schob Anna vor sich her ins Haus. »Lass uns etwas für dich zum Anziehen suchen«, meinte sie kopfschüttelnd. »Du kannst doch weder in Hosen noch in einer Pferdedecke herumlaufen.«
Die beiden Älteren schärften Peter ein, ja aufzupassen, aber der lief schon los und wackelte ihnen zum Abschied frech mit dem Hintern zu.
»Irgendwann wird der mit seiner Dreistigkeit noch mal richtig auf die Fresse fallen«, meinte Bertram halb belustigt, halb verärgert.
»Hoffentlich nicht gerade heute«, erwiderte Kuno düster. »Was denkst du, wollen sie von ihr?«
»Ich schätze, wenn sie nicht bald zurückkommt, müssen wir warten, bis wir’s von dem Prahlhans erfahren.«
Bertram ahnte, was in dem Freund vorging; er wusste, dass Kuno Johanna liebte und alles tun würde, um sie zu retten. Er selbst mochte das Mädchen auch. Ganz abgesehen davon, hatte Christian ihnen aufgetragen, für ihren Schutz zu sorgen. Das war eine heilige Pflicht. Und was würde erst Marthe sagen, wenn sie davon erfuhr? Doch Trübsal blasen brachte sie jetzt nicht weiter.
Mit gespielter Munterkeit klopfte er dem Freund auf die Schulter. »Lass uns für alle Fälle schon mal eine Verkleidung besorgen.« Er wollte ihn ins Haus ziehen, aber Kuno rührte sich nicht vom Fleck.
»Ich will von hier aus beobachten, ob sich dort etwas rührt. Und wir müssen überlegen, wo wir sie verstecken, falls das nötig wird.«
Erst einmal müssen wir sie da rausholen, dachte Bertram, aber das sprach er nicht aus. Ein Versteck zu finden war nicht leicht: Wenn Randolf sie suchte, würde er seine Leute sicher im ganzen Dorf das Unterste nach oben kehren lassen. Bei denjenigen, die zu Christians engsten Vertrauten gehörten wie Jonas und Karl, würden sie zuerst nachsehen, und die durften sie nicht in Gefahr bringen. Sie wogen ab, ob das Hurenhaus ein gutes Versteck wäre. Tilda würde ihnen bestimmt helfen. Aber das Risiko war zu groß, dass sich dort eines der Mädchen verplapperte oder sie vielleicht sogar absichtlich verriet. Und Johanna aus dem Dorf zu schaffen war angesichts dessen, dass im Wald vielleicht Gesetzlose lauerten, ebenfalls keine beruhigende Aussicht. So verwarfen sie eine Idee nach der anderen.
»Wo bleibt nur dieser nichtsnutzige Bengel?«, schimpfte Kuno.
»Ich bin zwar kein Nichtsnutz, aber wenn ihr mich meint – ich bin hier«, ertönte aus dem Gebüsch seitlich vor ihnen Peters Stimme.
Lachend trat er heraus, knickste und klimperte erneut mit den Wimpern.
»Na warte, Bursche!«, drohte Kuno, doch dann fuhr er sich erleichtert durchs rote Haar und winkte den Jungen heran. »Was weißt du inzwischen?«
»Sie wollen sie verheiraten«, berichtete Peter.
Kuno fuhr auf. »Wann? Mit wem? Nun red schon!«
Peter begriff, dass jetzt keine Zeit für Pausen war, um die Spannung zu erhöhen. »Schon morgen. Mit einem von Randolfs Wachleuten. Dem Kahlen. Und jetzt ist sie in einer Kammer eingesperrt.«
Als er sah, dass sein rothaariger älterer Freund vor Sorge fast verging, sprach er schnell weiter. »Aber ich weiß, wo. Ist auch nur ein Riegel davor. Ich hätte sie vielleicht sogar da rausholen können. Bloß, ich wusste nicht, wie wir dann unbemerkt an den Wachen vorbeikommen sollten.«
Kuno und Bertram ließen sich von ihm genau beschreiben, wie das Haus gegliedert und wo Johanna gefangen war.
Dann standen sie auf, um sich bei Mechthild Hilfe für den nächsten Teil ihres Planes zu holen.
Nur kurze Zeit später ließ Kuno seine eigene Verkleidung von der Köchin, Bertram, Peter und dessen nun wieder in ihre eigenen Sachen gekleidete
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