Die Spur der Hebamme
Hauptmann der Wache aufforderte, eine Probe seines Könnens abzuliefern, bevor er ihn in Dienst nahm, musste er eben das Schwert mit der Linken führen. Schließlich hatte ihm Christian auch das während der Knappenzeit gründlich beigebracht.
Lukas wollte nicht riskieren, zusammen mit Till auf der Burg gesehen zu werden, dessen Fragen nach einem verwundeten Meißner Aufmerksamkeit erregen könnten. Also suchte er sich in einer billigen Gastwirtschaft eine Kammer. Er sorgte dafür, dass der Spielmann ein kräftiges Mahl erhielt, aß selbst aber nur wenig. Niemand wusste, wie viel Geld die Suche noch verschlingen würde, sei es für Proviant, Pferdefutter oder Bestechung.
»Marthe sagt immer, Verletzungen heilen schneller, wenn man nicht zu üppig isst«, wehrte er ab, als Till seine Portion mit ihm teilen wollte. Dann wünschte er dem Begleiter Erfolg auf seinem Erkundungsgang und klopfte ihm aufmunternd mit der Linken auf die Schulter.
Lukas hatte längst seine Kleidung gegen die eines einfachen Soldaten ausgetauscht, die Haare zusammengebunden und unter einer Bundhaube verborgen. Nur Männer von Stand trugen das Haar schulterlang; wenn er sich wirklich bei der Wachmannschaft verdingen musste, würde er es kürzer schneiden müssen, um sich nicht zu verraten. Doch damit wollte er noch warten, bis er wieder von Till hörte. Gut möglich, dass es die Umstände doch erforderten, als Ritter aufzutreten.
Nach Tills Aufbruch ging Lukas die hölzerne Stiege hinauf in die Kammer, die er mit mehreren Leuten würde teilen müssen. Wenigstens hatte er ein Strohlager für sich allein und ließ sich erschöpft daraufsinken. Kurz darauf fuhr er jedoch fluchend wieder hoch und begann, Jagd auf das Ungeziefer zu machen, das über ihn herfiel. Doch bald gab er auf; es war müßig, der Plage Herr werden zu wollen. Außerdem machten ihm andere Dinge viel mehr zu schaffen als die Legion hungriger Flöhe und Wanzen.
Mit zusammengebissenen Zähnen löste er den festgeklebten Verband von der Wunde, um nachzuschauen, welchen Schadendie Belastung angerichtet hatte. Auf einer Seite war der Schorf aufgebrochen und Blut herausgesickert. Doch noch deutete nichts auf eine Entzündung oder gar Wundbrand hin. Erleichtert stieß er den angehaltenen Atem aus. Er würde später die Frau oder eine Tochter des Wirtes bitten, ihm den Verband wieder anzulegen.
Vorsichtig wickelte sich Lukas in seinen Umhang, streckte sich aus und überlegte, während er an die grobbehauenen hölzernen Deckenbalken starrte.
Es blieb nur noch wenig Zeit. Aber vielleicht war die Suche morgen schon beendet, und er konnte Christians Befreiung vorbereiten. Oder aber er bekam Gewissheit, dass sein Freund tot war.
Dann würde Marthe Ekkehart heiraten.
Zum dritten Mal musste er dann mitansehen, wie ein anderer Mann sie bekam. Er gab sich keinen Illusionen hin. Marthe würde bis zu ihrem Tod um Christian trauern, auch wenn er sie hätte heiraten dürfen. Aber ausgerechnet Randolfs Kumpan? Wie musste ihr erst dabei zumute sein?
Sosehr er sich diese Gedanken verbot, er konnte ein Bild nicht aus seinem Kopf verscheuchen: Ekkehart, der Marthe im Brautbett in Besitz nahm. Würde er ihr Gewalt antun oder sie liebkosen? Würde sie stumm weinen, sich wehren oder ihn lächelnd empfangen? Er konnte nicht ehrlich sagen, welche Vorstellung schlimmer für ihn war.
Wütend über sich selbst schüttelte er den Kopf, um die lästigen Gedanken loszuwerden, die sich einfach nicht vertreiben lassen wollten.
Ein betrunkener Zimmergenosse riss ihn aus seinen Grübeleien. Der Mann stolperte laut vor sich hin lallend in die Kammer und torkelte zur Wand. Als er Anstalten machte, sich aus dem Fenster zu erleichtern, packte Lukas ihn kurzerhand, drehte ihn umund schob ihn mit einem deftigen Hinweis auf den Abtritt im Hof wieder nach draußen.
Bald trafen unter Poltern und Fluchen auch die anderen Mitschläfer ein und ließen sich auf die Strohlager fallen.
Niemand nahm übermäßig Rücksicht auf den jungen Mann, den die anderen für einen Boten oder Soldaten ohne Stellung halten mussten.
Es dauerte nicht lange, bis vielstimmiges Schnarchen, Röcheln und andere unliebsame Geräusche den engen Raum erfüllten. Missgelaunt gab sich Lukas wieder seinen Grübeleien hin.
Am Morgen suchte er die Wirtin auf, um sie zu bitten, ihm einen neuen Verband anzulegen. Nur unter Zureden und mit Hilfe eines Hälflings zusätzlich zu dem Preis für das Essen und die Schlafkammer konnte er sie dazu
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