Die Spur der Hebamme
Augen und begann zu ahnen, was seine Freunde vorhatten. Er räusperte sich.
»Meine Braut ist etwas schüchtern. Seid so gut, lasst uns jetzt allein.«
»Was heißt hier schüchtern?«, höhnte Giselbert. »Als ob wir alle die kleine Hure nicht schon oft genug besprungen hätten!« Mit mühsam verhohlener Wut richtete sich Ekkehart auf.
»Sie ist jetzt meine Frau, also sprich gefälligst mit Respekt von ihr!«
Vom Bett aus griff Ekkehart nach seinem Geldbeutel, der zwischen den hastig abgelegten Sachen begraben war. Er warf ihn Elmar zu. »Hier, davon könnt ihr euch eine Woche lang jeden Tag die besten Huren von Meißen kaufen. Nehmt es und geht!«
Randolf stieß sich von der Wand ab und trat zwei Schritte aufdas Brautbett zu. Dabei musterte er Ekkehart mit hartem Blick. »Als ob ich es nicht geahnt hätte! Die Hexe hat dich tatsächlich um den Finger gewickelt. Aber deshalb sind wir hier, dafür hat man schließlich Freunde. Wir werden den Vollzug der Ehe bezeugen. Es ist nur zu deinem eigenen Vorteil.«
Er umrundete das Bett und setzte sich auf die Truhe, in der Marthes Kleider lagen.
»Und dann sind wir dran«, verkündete Elmar. »Haben wir sie nicht auch immer mit dir geteilt?«
Ekkehart merkte, dass sein Glied erschlaffte, während sein Blut durch die Adern pulsierte wie bei einem bevorstehenden Kampf. Er sah sich kurz um. Seine Waffen waren unerreichbar bis auf den Dolch, der zwischen seinen Kleidern auf dem Boden lag. Allein konnte er es nicht mit den dreien aufnehmen. Dennoch war er entschlossen, ihnen Marthe nicht kampflos zu überlassen – jetzt, wo sie ihm endlich allein gehörte.
»Ihr werdet sie nicht bekommen«, erklärte er den anderen fest.
»Als ihr Ehemann werde ich ihre Ehre verteidigen.«
»Wie rührend!«, rief Giselbert meckernd.
Randolf stand auf, löste seinen Schwertgurt und ließ ihn fallen.
»Los, bespring sie endlich, oder ich tu es an deiner Stelle!«
VIERTER TEIL
Auf Leben und Tod
Auf der Suche
L ukas trieb seinen Hengst so eilig Richtung Eisenach, dass Till Not hatte, ihm zu folgen, obwohl er für die Suche das ausdauerndste Pferd bekommen hatte, das noch in Christians Ställen stand.
An einem späten Nachmittag hielten sie am Fuß des Bergrückens, auf dem die mächtige Wartburg des Thüringer Landgrafen thronte. Finster starrte Lukas auf die steinernen Warttürme, als könnte sein Blick die dicken Mauern durchdringen. Ob Christian hier in einem der Verliese steckte? Aber weshalb? Welches Interesse konnte der Landgraf an dem ihm unbekannten Ritter haben? Warum hatte er Otto die Nachricht von Christians Tod zukommen lassen?
Und wenn sein Freund noch lebte – wie mochte es ihm gehen? Wurde er gefoltert? War seine Wunde brandig und vielleicht sein Bein schon abgenommen worden?
Er und Till brachten in Erfahrung, dass sich der Landgraf in dem prächtigen Palas aufhielt, den Ludwigs Vater hatte errichten lassen. Prunkvoll wie eine große Kirche oder eineKaiserpfalz sei er, hatte der Spielmann berichtet, mit Adlern, Löwen und Pfauen an den Kapitellen der Säulen. Und nicht nur die Kemenate, sondern sogar der Aufenthaltsraum der Ritter verfüge über einen Kamin – eine Verschwendung, die Lukas zu anderer Gelegenheit eher absonderlich gefunden hätte. Doch derzeit bewegten ihn dringendere Sorgen als die, ob Ludwigs Ritter froren oder in beheizten Räumen verweichlichten.
Nach Lukas’ Plan sollte sich Till zuerst allein auf der Burg umhören, die er von einem früheren Aufenthalt her kannte und wo er noch Vertraute unter dem Gesinde hatte. Vielleicht fand er etwas über Christians Schicksal heraus. Wenn dort ein Ritter des Meißner Markgrafen auftauchte und nachfragte, würde der Landgraf sicher nicht von der Geschichte abweichen, die er durch den Böhmen übermitteln hatte lassen. Falls Till auch nur den geringsten Anhaltspunkt dafür fand, dass Christian noch lebte und auf der Wartburg gefangengehalten wurde, würde sich Lukas als Soldat ohne Anstellung ausgeben und versuchen, sich bei den Wachen zu verdingen. Irgendwie würde er dann schon in die Verliese kommen, um Christian zu suchen.
Es bestand kaum Gefahr, dass Ulrich ihn erkennen würde; der Böhme musste längst auf dem Heimweg sein, um sein Heer zu sammeln und zum Kaiser zu führen.
Das Einzige, das bei diesem Plan störte, war Lukas’ Verletzung, die wieder heftig schmerzte, weil er den Arm durch den schnellen Ritt zu stark belastet hatte. Aber darauf konnte er keine Rücksicht nehmen. Wenn ihn der
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