Die Spur der Hebamme
Freunde an seiner Statt die Botschaften auf die Wartburg und nach Dankwarderode gesandt hatten, konnte ihm genaugenommen niemand vorwerfen, seinen Schwur gebrochen zu haben.
Heute endlich durfte er den Verhassten aus dem Weg räumen, ganz öffentlich und ein für alle Mal. Dass er sich damit zugleich von allen Verdächtigungen reinwusch, machte die Sache noch triumphaler.
Er würde den Bastard mit seinem Schwert in Stücke hauen und dafür sogar als Held gefeiert werden. Dann gehörte das reichste Dorf der Markgrafschaft endgültig ihm. Und wenn Ekkehart immer noch verrückt nach der frischgebackenen Witwe war – nun, so sollte er es sich etwas kosten lassen, sie zu bekommen. Randolf trat zurück hinter den Schirm, damit auch sein Gegner den Schwur leisten konnte. Christian legte die Hand auf das Kreuz und sprach mit fester Stimme seinen Eid.
Obwohl die Regeln für solche Zweikämpfe bekannt waren, rief der Turniervogt sie aus, um der Form Genüge zu tun.
»Niemand darf aus den Schranken fliehen, sonst gilt er als besiegt. Wer zu Boden stürzt, ist besiegt. Ist der Kläger der Sieger, darf er den Unterlegenen zum Eingeständnis seiner Schuld auffordern. Siegt der Beklagte, kann er den Besiegten auffordern, sich zu ergeben. Der Sieger darf den Unterlegenen aber auch sofort töten.«
Er legte eine kurze, doch wirkungsvolle Pause ein, dann rief er: »Möge uns Gott durch den Ausgang des Kampfes die Wahrheit enthüllen!«
Die gesamte Zuschauerschaft stimmte mit ihm in ein Gebet ein.
Ein Hornstoß eröffnete den Kampf. Die Gegner traten in das Geviert, jeder für sich grimmig entschlossen, den anderen zu töten.
Christian packte das Schwert fest mit der Rechten und fixierte Randolf mit eiskaltem Blick. Er wusste, dass er dem Hünen gegenüber körperlich im Nachteil war durch die Folgen seiner Verletzungen im Gefecht und im Kerker, aber das kümmerte ihn nicht.
Zu lange hatte er auf diesen Tag gewartet.
Um sich für das zu rächen, was Randolf Marthe angetan hatte, dafür, wie er vor Jahren in seinem Dorf gewütet hatte, für die Gefangenschaft und Folter in Randolfs Kerker, für den Tod seiner Freunde und Gefährten auf dem Weg nach Trifels und für das, was er in den vergangenen Wochen Johanna, Karl, Agnes und Jonas an Leid zugefügt hatte. Von diesen jüngsten Grausamkeiten hatten ihm Marthe und Lukas erst erzählt, als er sie am Abend von dem bevorstehenden Kampf auf Leben und Tod unterrichtete.
Dabei hatte ihn Marthe einmal mehr in Erstaunen versetzt, als er ihr von Ottos Entscheidung berichtete. Er war sicher, sie würde aus Angst und Sorge um ihn anfangen zu weinen und ihm vorhalten, dass er in seinem derzeitigen Zustand keine Chance gegen den hünenhaften Gegner hatte. Doch sie hatte ihm nur in die Augen geblickt, gefasst und ruhig.
»Töte ihn.« Mehr sagte sie nicht.
Sie glaubte an ihn; das war alles, was er wissen musste.
Auch sie wollte, dass die alte Grete, Berthas Mann und all die anderen gerächt wurden, die von Randolf ermordet worden waren oder durch ihn schweres Leid erfahren hatten. Vor allem aber wollte sie wie er, dass Konrad gerächt wurde, ihr Schützling, ein junger, pflichtbewusster Mann, der von Randolf mit hinterlistigen Worten in den Tod getrieben worden war. Sie beide trugen schwer an seinem Tod und noch schwerer an dem Gedanken, dass ihm nach der Entscheidung des Bischofs ewige Verdammnis beschieden sein sollte.
Auch Lukas und Raimund hatten keinerlei Zweifel an seinem bevorstehenden Sieg aufkommen lassen. Raimund, weil er fest davon überzeugt war, dass Gott auf Christians Seite stand und so viel Verderbtheit wie bei Randolf nicht ungesühnt lassen würde.
Lukas dachte nüchterner: Mochte der Gegner auch größer sein, Christian war einfach der Bessere mit dem Schwert. Und er hatte mehr als einen guten Grund und viel zu lange darauf warten müssen, dem anderen endlich seine Untaten heimzuzahlen.
Die Freunde hatten Christian zum Schwertfeger begleitet, um seine Waffen schärfen zu lassen, und ihm ein paar Übungskämpfe zum Aufwärmen angeboten, doch das hatte er abgelehnt. Er wollte das verwundete Bein nicht zu sehr beanspruchen. Denn eines war ihm klar: Er musste diesen Kampf schnell beenden, wenn er ihn gewinnen wollte.
Marthe hatte einen Ehrenplatz auf der Schaubühne zugewiesen bekommen, direkt an der Seite von Markgraf Dietrich. Viel lieber wäre sie unten neben Lukas und Raimund geblieben, um gemeinsam mit ihnen Gott um Christians Sieg anzuflehen und von den
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