Die Spur der Hebamme
Freunden Trost und Beistand zu erfahren.
Stattdessen wurde nun von ihr erwartet, dass sie sich wie eine Dame benahm, sittsam sitzen blieb und die Hände auf dem Schoß liegen ließ, während dort unten ihr Mann, ihre Liebe, auf Leben und Tod kämpfte. Am liebsten wäre sie weinend davongerannt.
Es hatte sie alle Kraft gekostet, sich vor Christian nichts von ihrer Angst anmerken zu lassen. Sollte sie ihn gleich wieder verlieren, da er doch gerade erst allen Todesnachrichten zum Trotz wieder zurückgekehrt war?
Aber sie durfte nicht zweifeln. Krampfhaft vermied sie den Blick auf die Bahre, die ihr Mann hatte mitbringen müssen, damitim Falle einer Niederlage sein Leichnam darauf fortgetragen werden konnte. Christian würde siegen. Das Recht war auf seiner Seite. Und dann wäre der Alptraum namens Randolf für sie und für ihr Dorf auf alle Zeit vorbei.
Die Schwerter aufreizend lässig über die Schulter gelegt, umkreisten sich die Gegner mit hasserfüllten Blicken zwei, drei Mal, ohne sich aus den Augen zu lassen, jeder in der Erwartung, einen guten, vielleicht schon alles entscheidenden Hieb plazieren zu können.
Dann stürmte Randolf mit einem wuchtigen Oberhau auf Christian ein. Der riss den Schild hoch, um den Schlag abzufangen, doch die Wucht des Hiebes ließ ihn straucheln. Mit aller Kraft drückte Randolf sein Schwert auf Christians Schild, bis sein Gegner in die Knie sank. Die Zuschauer schrien auf, doch Christian hörte nichts davon, sondern hieb aus dem Handgelenk mit dem Schwert gegen Randolfs linkes Bein. Der Hüne brüllte auf vor Schmerz und Wut, taumelte und sank nun selbst für einen Moment in die Knie.
Christian war währenddessen schnell aufgestanden und setzte mit einem Sprung zurück. Auch Randolf stand nun wieder. Mit wutverzerrtem Gesicht stürzte er auf Christian zu und ließ sein Schwert erneut mit einem gewaltigen Oberhau auf den Schild des Gegners krachen. Doch diesmal ließ Christian den Aufprall abgleiten, indem er den hoch erhobenen Schild nach links kippte. Er sprang zur Seite und hieb mit aller Macht von außen auf eine nun von allem Schutz entblößte Stelle des Todfeindes – dort, wo Schulter und Hals ineinander übergingen.
Randolf schrie auf und sackte in die Knie, voller Staunen auf das Blut blickend, das aus seiner klaffenden Wunde sprudelte. Mit letzter Kraft holte er zu einem Hieb gegen Christians Beine aus. Der wehrte den Schlag mühelos ab und schlug mit der flachenSeite so kräftig gegen Randolfs Brust, dass der Hüne hintenüberfiel.
Christian trat neben ihn und zielte mit der Spitze seines Schwertes auf die Halsgrube unterhalb des Kehlkopfes.
»Ritter Christian ist der Sieger«, rief der Turniervogt, doch Christian hörte nichts davon, ebenso wenig wie von den Rufen der Zuschauer.
In ihm lagen der Wunsch, Randolf zu töten, und der Widerwille, einen am Boden liegenden Mann einfach abzuschlachten, im Widerstreit. Sollten das doch die Büttel des Markgrafen tun. Sollte Randolf noch ein paar Augenblicke länger um sein Leben zittern und zu seiner eigenen Schande zum Richtplatz geschleift werden.
»Na, los! Bist du selbst dazu noch zu feige?«, zischte ihm Randolf voller Hass zu. »Oder willst du von mir noch ein paar Geschichten hören, wie ich dein Liebchen …«
Er kam nicht dazu, den Satz zu Ende zu sprechen, denn genau diese Worte veranlassten Christian, ihm mit aller Wucht das Schwert in den Körper zu stoßen.
Einen Augenblick lang zerfloss für ihn die Umgebung zu einem einzigen, bedrohlichen Rot. Dann zog er mit einem Ruck das Schwert aus dem Leichnam und drehte sich um, den Blick auf die Tribüne gerichtet.
Er hörte nicht die Worte des Turniervogtes und den Jubel der Menschen um ihn herum, er sah nur Marthes kreidebleiches, erleichtertes Gesicht, über das die Tränen liefen, die zufriedene Miene Ottos und die grimmige Genugtuung Markgraf Dietrichs.
Es war vorbei.
Erst allmählich drang der Tumult der Zuschauer zu Christian durch. Er breitete die Arme aus und hob sein Schwert, um denJubel entgegenzunehmen, dann sprang er über die Schranken, trat vor die Tribüne und kniete mit gesenktem Kopf nieder.
Ein Page rannte herbei und richtete ihm den Wunsch Markgraf Ottos aus, zu ihm zu kommen.
Wie betäubt erhob sich Christian und ging über eine kleine hölzerne Stiege hinauf auf das Podest. Otto und Dietrich hatten sich erhoben, mit ihnen pflichtgemäß auch alle anderen, die sich dort aufhielten.
Konrads Vater, an dem er zuerst vorbeikam, legte
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