Die Spur der Hebamme
Mengen Silber und Kupfer gefördert worden waren.
Die Sonne stand fast im Zenit, als Fritz’ Schwester aufgeregt auf sie zugehumpelt kam. »Mein Mann ist schon zurück«, berichtete sie schnaufend. »Sie haben einen Verletzten heimgebracht.« Sie kehrten um und gingen zur Kate, wo Fritz von seinem fassungslosen Bruder begrüßt wurde. Seine Haare und Kleider rochen intensiv nach Rauch – wahrscheinlich vom Feuersetzen. Wie Bergmeister Hermann Christian einmal erklärt hatte, war das eine bewährte Methode, um das Erz zu lockern, damit es leichter gebrochen werden konnte: Man legte Feuer in einer Grube und wartete, bis es erloschen und das Gestein ausreichend abgekühlt war.
Die Schwägerin des Steigers setzte ihnen Dünnbier vor, dann unterbreitete Christian das Angebot des Markgrafen.
»Er stellt euch Geleit für die Reise und sichert zu, dass jeder in Christiansdorf als freier Mann nach Silber graben darf, wenn er ihm seinen Anteil zahlt. Redet mit Fritz darüber, wie das Leben bei uns ist, und überlegt, ob ihr das Angebot annehmen wollt.«
Er erkannte schnell, dass seine Worte auf fruchtbaren Boden gefallen waren. Wenn Fritz seine Verwandten und Freunde nicht überzeugen konnte, würde es niemand können. So ließ er die Brüder bald in der Kate zurück und machte sich auf den Weg nach Goslar.
Zur gleichen Zeit stellte die Meißner Markgräfin in ihrem Quartier in der Kaiserstadt ihren Mann heftig zur Rede. Die Dame Hedwig war schlank, blond und mehr als zwanzig Jahre jüngerals Otto, der die Fünfzig längst überschritten hatte. Mit seinem breiten Kreuz und dem markanten Kinn wirkte der Markgraf respekteinflößend. Doch Hedwig ließ sich von seiner Statur und der finsteren Miene nicht abschrecken.
»Willst du tatsächlich den gleichen Fehler ein zweites Mal begehen?«, hielt sie ihm mit kaum gezügeltem Temperament vor. »Ich habe es dir damals gesagt und sage es heute wieder: Der Dunkle Wald ist groß, aber nicht groß genug für diese beiden Männer. Schon gar nicht nach dem, was vor Randolfs Sühnefahrt vorgefallen ist.«
Sie ist wirklich ein zänkisches Weib, dachte Otto bei sich und betrachtete seine Frau mürrisch. Andererseits musste er sich zähneknirschend eingestehen, dass sie in den meisten Fällen recht hatte. Genaugenommen fast immer und diesmal ganz besonders. Und wenn sie sich dermaßen ereiferte wie jetzt, glühten ihre Augen und brannten ihre Wangen vor Leidenschaft. Das brachte ihn auf ganz andere Gedanken.
Nach dem Zerwürfnis mit Hedwig vor ein paar Jahren hatte er lange Zeit gebraucht, um die Wogen zu glätten. Wenn er ehrlich sein wollte: Er war auch ziemlich rüde mit ihr umgegangen. Erst hatte er sie zu Unrecht des Ehebruchs mit Christian beschuldigt und eine Nacht in Fesseln verbringen lassen, bis ihm sein Irrtum klar wurde, dann verfiel er selbst einer anderen Frau und verbannte Hedwig zu seinem jüngeren Bruder Dietrich, dem Markgrafen der Ostmark. Dummerweise erwies sich diese Geliebte als Spionin seines Erzfeindes Heinrich des Löwen und hätte bei ihrem Fluchtversuch beinahe seinen Neffen Konrad getötet.
Seitdem verzichtete er zu seiner eigenen Überraschung auf Affären, abgesehen von gelegentlichen Frauenbesuchen, wenn er auf Reisen war, die er sofort wieder vergaß.
Außerdem wurde er nicht jünger. Auch deshalb wusste er esdurchaus zu schätzen, wenn seine Frau ihm im Bett ihre Gunst erwies.
Hedwig war verstummt, verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete ihren Mann. Sie kannte ihn lange genug, um zu erraten, was ihm durch den Kopf ging, selbst wenn sie sich davon nichts anmerken ließ.
Als sie vor gut fünfzehn Jahren mit Otto vermählt worden war – sie war damals halb so alt wie heute und entsetzt über diese Entscheidung ihres Vaters gewesen –, war er ihr sofort verfallen. Und sie lernte schnell, diesen Umstand zu nutzen, wurde seine Vertraute und kluge Ratgeberin. Bis er in die Fänge jener Spionin geriet und seine Frau kaltstellte. Erst das Eingreifen von Christian, Lukas und der jungen Marthe hatten das Komplott enthüllt; Otto bat Hedwig kniefällig um Verzeihung und gelobte Besserung. Doch im Herzen hatte sie ihm die Kränkung nie verziehen, auch wenn er glaubte, alles sei nun wieder wie zuvor.
Sie sah die Begierde in seinen Augen aufflackern, seinen Blick zu dem Ausschnitt ihres Kleides wandern, das nach der neuesten Mode geschnitten war und den Ansatz ihrer Brüste zeigte. Sie war sich bewusst, dass sie trotz ihrer dreißig Jahre
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