Die Spur der Hebamme
kaum von meiner Seite.«
»Ich habe Otto vom ersten Tag an um dich beneidet, aber nie gewagt, diesen Gedanken zu Ende zu denken«, sagte er. »Als du dann nicht mehr auf meiner Burg warst, wurde mir plötzlich klar, wie sehr du mir fehlst und was du mir bedeutest.«
Ihre Stimme klang nun mutlos. »Werden wir uns nur zu den Hoftagen heimlich treffen können?«
»Ich lasse mir etwas einfallen«, versprach Dietrich wehmütig.
»Aber es wird schwierig werden.«
Hedwig lachte beklommen auf. »Jetzt habe ich die schlimmste Sünde meines Lebens begangen und kann sie nicht einmal beichten. Denn jeder Priester würde sofort von mir verlangen, diese blutschänderische, ehebrecherische Beziehung zu beenden. Und das kann ich nicht.«
Dietrich drehte sie heftig zu sich um und sah ihr fest in die Augen. »Hedwig, Liebste. Das darfst du erst auf dem Sterbebett beichten! Um keinen Preis darfst du dich vorher den Priestern ausliefern. Sie hassen die Frauen und dich ganz besonders, weil du Einfluss auf Otto hast. Sie würden dich vernichten, selbst wenn sie das Beichtgeheimnis wahren. Stell dir vor, sie legen dir irgendeine besonders schwere Buße auf – und das werden sie tun. Dann werden deine Gegner öffentlich Fragen stellen und Otto Verdächtigungen einflüstern. Du wärst verloren.«
Er hauchte ihr einen Kuss auf die Schläfe. »Lass mich für dich Buße tun. Männern wird so etwas eher verziehen.«
Hedwig wusste, dass Dietrich aus Erfahrung sprach.
Er hatte eine polnische Königstochter heiraten müssen, um Frieden an der östlichen Grenze seiner Markgrafschaft zu bekommen. Doch seine frömmelnde Frau hatte ihm vom erstenTag an nur Verachtung und Hass entgegengebracht und hielt sich zumeist fern von ihm auf. Lange Zeit hatte Dietrich sein kaltes Ehebett mit einer jungen Ministerialenwitwe geteilt, die ihm zwei Bastarde geboren hatte, für deren Unterhalt er großzügig sorgte, danach hatte er verschiedene andere Frauen gehabt. Aber Hedwig glaubte zu wissen, dass sie für ihn mehr als nur eine seiner Eroberungen war. Sonst hätte er nicht dieses Risiko für sie und sich selbst auf sich genommen und seinen Bruder hintergangen. Was immer seine Gegner ihm nachsagten – Dietrich war ein Mann von Ehre.
»Wenn du es so willst«, flüsterte sie und zog sich die Kapuze tief ins Gesicht.
»Ich werde das Haus erst etwas später verlassen«, sagte er leise.
»Draußen wartet mein treuester und verschwiegenster Gefolgsmann. Er ist als Wanderprediger verkleidet und wird dir folgen. Sollte Gefahr drohen, dass dich jemand erkennt, sorgt er für eine Ablenkung. Er weiß nicht, wer du bist, aber er wird sein Leben dafür einsetzen, dass du ungefährdet und unerkannt zurückgehen kannst.«
Noch einmal zog er sie an sich und küsste sie voller Leidenschaft. »Alle meine Gedanken werden bei dir sein.«
Entgegen ihren Befürchtungen erreichte Hedwig unerkannt ihr Quartier, wo die Magd Susanne sie erwartete. Wie um aus der Lüge Wahrheit zu machen, schlüpfte sie in ihr Bett, denn sie fühlte sich überglücklich und elend zugleich. Wieder und wieder rief sie sich die Dinge in Erinnerung, die Dietrich mit ihr getan hatte, fühlte bei der Erinnerung noch einmal Wellen des Verlangens durch ihren Körper branden und verzehrte sich vor Sehnsucht nach seinen Händen, seinen Küssen, seinem Körper, seiner Männlichkeit.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit mit Tagträumen vergangen war,als Otto ins Zimmer stürmte. »Wie geht es dir, meine Liebe?«, rief er besorgt.
Mit einem Mal brach ihr kalter Schweiß aus.
Würde er ihr ansehen, dass sie nun eine Ehebrecherin war? Trug sie vielleicht schon ein verräterisches Mal auf der Stirn?
Plötzlich wurde ihr schlecht. Sie rief nach Susanne, die hastig eine Schale brachte. Hedwig erbrach sich, fühlte sich von einem merkwürdigen Blick Ottos gestreift und begann am ganzen Körper zu zittern.
»Habt Ihr etwas Unrechtes gegessen?«, fragte Otto ungeduldig. »Ich hatte gehofft, dass Ihr mich wenigstens zum Festmahl begleitet.«
»Nur noch einen Augenblick Geduld«, stöhnte Hedwig. »Ich weiß auch nicht, was es ist.«
Susanne hatte inzwischen die Schale beiseite gestellt und machte sich vorsichtig bemerkbar. »Meine Herrin … Ihr habt seit sechs Wochen nicht mehr geblutet«, sagte sie leise.
Entsetzt sank Hedwig in ihr Kissen zurück.
Sie war schwanger!
Die letzte Schwangerschaft hatte sie beinahe das Leben gekostet. Bald würde ihr Leib anschwellen, und Dietrich würde bei ihrem Anblick
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