Die Spur der Hebamme
hätte sich Ekkehart bestimmt nicht ausdenken können, dachte er. Allmählich erfüllte Hoffnung sein Herz, doch gleichzeitig wagte er nicht, zu viel davon zuzulassen.
Was haben sie ihr angetan? Und würde er noch rechtzeitig kommen, wenn sie wirklich im Sterben lag?
»Sie lebt«, sagte er Lukas nur, während er ihm seinen Grauschimmel übergab und sich gleich darauf auf den Braunen schwang. »Ich hole sie.«
»Der Herr sei gepriesen! Soll ich mit dir kommen?«
»Nein. Und vorerst zu keinem ein Wort«, befahl Christian und galoppierte davon.
Als sie nach einem schweigsamen Ritt Ekkeharts Stammsitz erreichten, führte Randolfs Freund Christian zu dessen Erstaunen in den Wohnturm und zu einer bewachten Tür.
»Du kannst gehen«, wies er die Wache an, stieß die Tür auf und ließ Christian eintreten, ohne ihm zu folgen.
Bis eben noch hatte Christian nicht ausgeschlossen, dass dies eine Falle oder ein grausamer Scherz war. Aber da lag sie, totenbleich auf einem Bett, in ein kostbares rotblaues Kleid gehüllt.
Er wollte zu ihr stürzen, doch eine alte Frau trat ihm in den Weg.
Keine Magd würde es wagen, einen Edelmann aufzuhalten, und niemand würde sich in diesem Augenblick zwischen ihn und seine Frau stellen können. Doch er erkannte eine weise Frau, wenn sie vor ihm stand. Schließlich hatte ihn eine aufgezogen, und mit einer war er verheiratet.
»Ihr seid derjenige, dessen Namen sie immer wieder im Fieber gerufen hat«, sagte die Alte. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
Christian nickte stumm.
»Ihr müsst Geduld mit ihr haben«, mahnte sie. »Euer Weib hat Schweres durchlitten. Manches habe ich lindern können. Und die meisten Narben auf ihrem Rücken werden mit der Zeit verheilen.«
Christian zuckte bei den letzten Worten zusammen. Doch er starrte weiter auf die weise Frau, die ihm immer noch nicht den Weg freigeben wollte, sondern nun noch düsterer blickte und die brüchige Stimme senkte.
»Ihr Lebenswille erlischt. Lasst sie nie allein. Wenn sie Kinder hat, legt sie zur ihr. Vielleicht hält sie das auf Erden. In solch einer Lage ist die Liebe einer Mutter zu ihren Kindern vielleicht die mächtigste, die einzige Kraft, die noch helfen kann.«
Endlich trat die Alte beiseite und ließ ihn zu Marthe.
Sie schlief, und er war erschrocken, wie bleich und abgemagert sie war, trotz der offensichtlich guten Pflege, die ihr zuteil geworden war.
Ganz vorsichtig strich er mit den Fingerspitzen über ihr Gesicht. Sie öffnete die Augen und drehte matt den Kopf zu ihm. Als sie ihn erkannte, leuchteten ihre Augen auf.
Er griff nach ihrer Hand und presste sie an seine Wange. Nur ihre Totenblässe hielt ihn davon ab, sie an sich zu reißen. »Du lebst!«
Das Leuchten in ihren Augen erlosch. »Ich habe unser Kind verloren.«
Sorgfältig verbarg er seine Trauer. »Aber du bist am Leben …
Wir werden noch mehr Kinder haben, später.«
Sie schloss die Augen, eine Träne rann aus ihrem Augenwinkel.
»Nimmst du mich mit nach Hause?«
»Fühlst du dich stark genug für den Ritt?«
Er hatte Ekkehart nicht gefragt, ob der sie gehen lassen würde.
Aber wenn nicht, würde er keinen Moment zögern, sich den Weg mit dem Schwert freizukämpfen.
»Nimm mich mit«, bat Marthe leise, ohne zu zögern.
Er half ihr vorsichtig auf. »Gibt es hier etwas, um dein Haar zu bedecken?«
Die Alte reichte ihm ein Tuch aus feinstem Linnen. Christian wartete, bis Marthe fertig zurechtgemacht war, dann hob er sie hoch und trug sie auf seinen Armen nach draußen.
Vor der Tür wartete Ekkehart, der sie für den Moment der Begegnung allein gelassen hatte. Dafür war er ihm nachträglich dankbar.
»Ich nehme sie mit«, sagte er in einem Ton, der weder Frage noch Bitte war, sondern eine Feststellung und keinen Zweifel zuließ.
»Sei vorsichtig, sie ist noch sehr schwach. Ich hole ihr einen Umhang. Es ist kalt.«
Christian war mehr als erstaunt über so viel Fürsorge. Was mochte in Ekkehart vor sich gehen? Doch das würde er später klären. Jetzt wollte er nichts weiter als seine Frau, seine endlich wiedergefundene Geliebte, nach Hause bringen.
»Ich weiß nicht, warum du das getan hast. Aber ich danke dir«, sagte er zu Ekkehart.
»Sagen wir einfach, es war an der Zeit, einmal etwas Gutes zu tun«, erwiderte Ekkehart mürrisch. Schon im Gehen, um Anweisungen an seine Bediensteten zu geben, sagte er: »Randolf hat nichts mit der Anklage zu tun. Ich will, dass du das weißt.«
Christian nickte ihm zu. Dann trug er
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