Die Spur der Hyäne: Thriller (German Edition)
überrumpelt.
»Inspector Jouma.«
Jouma ergriff seine ausgestreckte Hand. »Bruder Willem.«
»Ich hatte Sie gar nicht erwartet«, erklärte der Priester, und seine Augen hinter der Stahlrahmenbrille zuckten unruhig hin und her. »Haben Sie sie gefunden?«
Willem sprach so nervös und zerstreut wie ein Mann, der andere, viel wichtigere Sorgen hat als das Wohlergehen einer fünfundsiebzigjährigen Nonne. Tatsächlich sah er eher aus wie ein Mann, der etwas zu verbergen hat, überlegte Jouma. Dasselbe hatte er sich auch schon achtundvierzig Stunden zuvor gedacht, als er Jalawi seinen ersten Besuch abgestattet hatte.
»Bedaure, nein«, antwortete er freundlich. »Bruder Willem, das hier ist Detective Constable Mwangi. Er ist kürzlich aus Nairobi zu unserer Abteilung gestoßen.«
Aus schierer Höflichkeit schüttelte der Priester Mwangi mit geistesabwesendem Nicken die Hand, doch er sah ihm kaum in die Augen, und sowie diese Formalität abgehakt war, wandte er sich sofort wieder ungeduldig an Jouma. »Wenn es keine Neuigkeiten gibt, Inspector, warum sind Sie dann hier?«
»Vielleicht ist das nicht der günstigste Ort, um sich zu unterhalten«, sagte Jouma.
Im Inneren der Kirche waren auf dem festgetrampelten Lehmboden rechts und links zwei Dutzend Metall- und Plastikstühle aufgestellt. Vorne ein hölzerner Altar und eine Kanzel, hinter denen ein besonders kummervoll wirkender Christus an einem Kreuz hing. Amateurhafte Wandmalereien stellten Szenen aus dem Evangelium dar.
Willem setzte sich in die erste Reihe und zupfte hektisch an der Haut um seinen Daumennagel herum, während Jouma tief durchatmete, weil er wusste, dass er nun den Grund seines Besuches nennen musste.
»Ich bin hier, um Ihnen mitzuteilen, dass ich von meiner Vorgesetzten zu einem anderen Fall abgestellt worden bin«, verkündete er. »Detective Constable Mwangi wird die Ermittlungen für mich übernehmen.«
Wenn man den Leuten sagt, dass ihr Fall einem jüngeren Beamten übergeben wird, reagieren sie normalerweise empört. Doch Willem zwinkerte nur reptilhaft.
»Was bedeutet das für uns?«, fragte er.
»Was die Ermittlungen angeht, bedeutet es gar nichts«, versicherte Jouma. »Ich kann Ihnen garantieren, dass es für uns nach wie vor höchste Priorität hat, Schwester Gudrun wiederzufinden.« Doch als er Mwangis Fähigkeiten zu preisen begann, merkte er, dass er das ausdruckslose Gesicht des Priesters ziemlich irritierend fand. »Detective Mwangi ist ein äußerst fähiger Beamter und genießt mein volles Vertrauen«, schloss er, doch seine Stimme wurde immer leiser. »Je eher Sie ihm alles erzählen, was Sie über die vermisste Dame wissen …«
»Noch einmal?« , rief Willem. Sein Ausbruch kam so jäh und unerwartet, dass Mwangi zurückzuckte.
»Ja«, erwiderte Jouma mit fester Stimme. »Noch einmal. Und wenn Sie mich jetzt freundlicherweise entschuldigen würden, ich glaube, ich möchte kurz rausgehen und mir die Beine vertreten. Die Schlaglöcher auf dieser Straße sind ganz schlecht für meine Gelenke. Mwangi – übernehmen Sie bitte.«
Als Jouma davonging, bemerkte er mit einem gewissen sadistischen Vergnügen, dass Mwangi ihn genauso flehentlich ansah wie ein Hund, den der Besitzer zum ersten Mal im Zwinger zurücklässt.
9
F lug 368 der American Airlines aus New York landete drei Minuten vor der planmäßigen Ankunft auf dem Moi International Airport – aber es sollte noch eine Stunde dauern, bevor der erste Passagier die Einreiseformalitäten hinter sich hatte und das Gepäck vom Laufband holen konnte. Doch der Passagier von Sitz 3B saß zu diesem Zeitpunkt bereits im Fond eines Taxis, das ein Fünf-Sterne-Hotel nördlich von Mombasa Island ansteuerte. Das sind eben die Vorteile, wenn man erster Klasse reist und nur Handgepäck dabeihat, dachte Martha Bentleys Mörder.
Der Name auf dem Flugticket war osteuropäischen Ursprungs. Das Gesicht auf dem Passfoto war schmal und zeigte keine Spur eines Lächelns. Doch die Farbe der American-Express-Karte war beeindruckend genug, dass er sofort die vornehmste Suite des ganzen Hotels bekam und vom Manager persönlich begrüßt wurde.
»Wenn es irgendetwas gibt, was wir tun können, um Ihnen den Aufenthalt noch angenehmer zu machen, zögern Sie nicht, uns Bescheid zu geben«, sagte der Geschäftsführer.
»Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft«, erwiderte der Mörder. »Ich bin sicher, ich werde mich hier sehr wohl fühlen.«
Während sich der verehrte Gast einen Scotch
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