Die Spur der Hyäne: Thriller (German Edition)
erschlaffte wieder. Nein, dachte Walker, der würde nie irgendetwas kapieren. Beye handelte nur nach Instinkt, und in den meisten Fällen bedeutete das, dass er den Leuten erst den Schädel einschlug und dann Fragen stellte. Manchmal war es ja durchaus von Vorteil, dass ein Menschenleben in Kenia so billig war – aber das machte die Sache nicht unbedingt angenehmer. Außerdem hatten sie immer noch das Problem, wie sie die Leiche des alten Mannes entsorgen sollten. Das Letzte, was Walker im Moment brauchen konnte, war eine polizeiliche Untersuchung wegen eines Vermissten.
Tom hatte da natürlich seine eigenen Lösungen. Er fand ja noch immer, dass man die Überreste auf den Highway hätte schaffen sollen, damit sie von heranrasenden Autos pulverisiert würden. Er schien nicht zu begreifen, dass es auch in Kenia Pathologen gab, die unterscheiden konnten, ob jemand von einem Gummireifen oder von einem stählernen Bulldozer getötet worden war.
Stattdessen ordnete Walker also an, die Leiche auf eine Ebene hinter der Vipingo Ridge zu bringen, sie mit Kerosin zu übergießen und in einer Grube zu verbrennen, die so tief war, dass wilde Tiere die verkohlten Knochen nicht ausbuddeln konnten. Das war die effektivste, diskreteste und respektvollste Lösung – drei Wörter, die im Vokabular von Tom Beye oder der gesamten Sicherheitsabteilung nicht vorkamen.
»Gut«, schloss Walker entschieden, »wir haben schon genug Zeit verschwendet, jetzt tun wir, was getan werden muss. Dann können wir uns wieder unserem eigentlichen Job zuwenden.«
Als er über das staubige Gelände zu seinem Jeep schritt, zog Walker die Autoschlüssel aus der Tasche und hielt kurz inne.
Jeder Großwildjäger hätte den fünf Zentimeter langen Messingzylinder an seinem Schüsselbund sofort als eine .300-Winchester-Magnum-Patrone identifiziert. Walker hatte sie an seinen Schlüsselring gehängt für Tage wie diesen – als Erinnerung an die vergangenen, aber idyllischen Zeiten in seinem Leben, in denen er alle Probleme hinter sich hatte lassen können. Die Zeiten, in denen er und Malachi, der altgediente Wildhüter von Clay Spurling, ein paar Vorräte in den Jeep gepackt und sich einfach in die Wildnis zurückgezogen hatten, wo sie tagelang keine Menschenseele zu sehen bekamen.
Er stieg ins Auto und fuhr auf den Highway. In einer halben Stunde würde er in Mombasa ankommen, beim Hauptgebäude von Spurling Developments in der Nkrumah Road. Von seinem Büro im achtzehnten Stock konnte er die Shimba Hills erkennen, die sechzig Kilometer weiter südlich lagen. An Tagen mit klarer Sicht hatte er das Gefühl, er bräuchte bloß die Hand auszustrecken, um sie zu berühren. Das war die einzige Vergünstigung in diesem Job, von dem er manchmal wünschte, er hätte ihn nie bekommen.
11
A ls er aus der Kirche in die Hitze trat, war Jouma ganz in seine Gedanken vertieft. Irgendetwas an dem Fall mit der Nonne stank zum Himmel, aber er wusste nicht, was. Nachdem er von seiner Chefin von diesem Fall abgezogen worden war, musste Mwangi das wohl herausfinden. Er selbst würde sich jetzt in erster Linie darauf konzentrieren zu ermitteln, warum – genauer gesagt, wie – der selige Lol Quarrie sich zu Tode gestürzt hatte.
Selbst nach dreißig Jahren war das Dasein als Inspector doch alles andere als langweilig, dachte er sich.
Im selben Moment hörte er ein Geräusch, als würden sich die Pforten der Hölle öffnen, und als er sich umdrehte, sah er einen knallbunt bemalten Bus mit grausam gequälten Achsen aufs Dorf zuholpern. Die unvermeidliche Traube neugieriger Kinder verfolgte das Fahrzeug begeistert, bis es hundert Meter vor Joumas Auto an den Wegrand fuhr und in einer Wolke aus öligem Qualm verstummte. Zu seinem Erstaunen kletterte ein nicht abreißen wollender Strom junger Leute aus dem Vehikel, die Rucksäcke, Töpfe, Pfannen, Musikinstrumente, diverse Taschen und Ausrüstungsgegenstände mitschleppten.
Der Inspector widerstand bewusst seiner berufsbedingten Neugier, wandte sich ab und ging einen schmalen Pfad entlang, der von der Kirche zum Flamingo Creek hinunterführte. Er hatte schon genug am Hals, und solange die Leute aus dem Bus nicht gekommen waren, um in Jalawi zu vergewaltigen und zu plündern, kümmerte er sich nur zu gern um seine eigenen Angelegenheiten.
Im Süden zogen sich die Wolken zusammen, und in der Luft hing der satte Geruch verbrennender Bäume, denn die Dorfbewohner an der Küste machten den Boden für die Regenzeit
Weitere Kostenlose Bücher