Die Spur der Hyäne: Thriller (German Edition)
Passagier.
Er war Anfang zwanzig, und sein Körper zeigte noch letzte Spuren von Babyspeck. Über seine Stirn hing ihm ein heller Haarschopf in die schweinchenähnlichen Gesichtszüge. Bobby Spurling wartete gar nicht erst, bis die Rotorblätter zum Stillstand gekommen waren, sondern rannte sofort zu dem wartenden Jeep, an dessen Steuer ein großer, weißhaariger Massai-Wildhüter in Safari-Kleidung saß.
»Guten Tag, Mr.Bobby. Schön, Sie wiederzusehen.«
»Spar dir den Quatsch, Malachi, und bring mich zu meinem Vater«, erwiderte Bobby.
Die Ranch umfasste über dreizehntausend Hektar hügeliges Grasland und grenzte direkt an den Shimba-Hills-Nationalpark. An Tagen wie heute, wenn der Regen die Staubwolken bezwungen hatte, konnte man fast hundertsechzig Kilometer weit sehen. Doch Bobby Spurling hatte herzlich wenig Sinn für das spektakuläre Panorama. Er hatte es schon tausendmal gesehen, und jedes Mal wurde es ihm gleichgültiger. Er lebte wesentlich lieber in der Stadt – auch wenn diese Stadt momentan Johannesburg war –, weil er gerne in Restaurants und Nachtclubs ging, weil er gern unbegrenzten Zugang zu Frauen und Drogen hatte und weil er lieber verrecken würde, als den Rest seines Lebens am Ende der Welt zu verfaulen wie sein Vater. Das einzig Gute an der Ranch war, dass sie erst letzte Woche auf einen Wert von über neunzehn Millionen Dollar geschätzt worden war – ein unverhoffter Reichtum, der ihm in nicht allzu ferner Zukunft in den Schoß fallen würde, wie er hoffte.
Geld und Land waren nicht das Einzige, was Bobby bei Clay Spurlings Tod gewinnen würde. Da war selbstverständlich noch eine kleine Baufirma namens Spurling Developments.
Und bei dem Gedanken, nicht mehr der ewige Thronanwärter zu sein, sondern endlich König dieses Imperiums zu werden, bekam er eine Gänsehaut.
Der Jeep bog um die Ecke auf den Platz vor dem ausladenden Haus mit seinen Teesträuchern und dem importierten Rasen, doch statt vor dem Säulengang zu halten, lenkte der Fahrer das Auto daran vorbei.
»Was zum Teufel machst du da, Malachi?«, wollte Bobby wissen. »Ich muss zu meinem Vater.«
Malachi, der dienstälteste Angestellte seines Vaters, der sich fast vierzig Jahre um das Land gekümmert hatte, blickte stur geradeaus. »Ihr Vater erwartet Sie bei den Ställen, Mr.Bobby.«
Bobby fühlte sich, als hätte ihm jemand die Faust in den Magen gerammt. Bei den Ställen ? Sein Vater sollte auf dem Sterbebett liegen, verdammt noch mal! Sechs Monate nach seinem Herzinfarkt und Gott weiß wie vielen Millionen, die für lebensrettende Behandlungen in Krankenhäusern von Atlanta bis Zürich ausgegeben worden waren, war der alte Mann schließlich zum Sterben nach Hause gekommen. War das nicht der Grund, warum er eingeladen worden war? War das nicht der Grund, warum er nach achtzehn langen Monaten aus seinem Exil abberufen worden war?
Es sei denn, eine der Behandlungen hätte tatsächlich angeschlagen!
Nein – der Gedanke war einfach zu schrecklich, um ihn laut auszusprechen.
Die Stallungen lagen gut drei Kilometer vom Wohnhaus entfernt, so dass sie erst noch einen endlosen, gewundenen Feldweg hinter sich bringen mussten, der sich durch trockenes Ödland mit vereinzelten Wüstenrosen schlängelte. Beim Anblick ihrer grotesk geschwollenen Stämme und verdrehten Zweige schien es absurd, dass diese Pflanzen so eine Fülle von wundervollen roten und rosa Blüten hervorbrachten – aber umso angemessener war es, dass ihr Saft, ihre Wurzeln und Samen ein Gift enthielten, das stark genug war, um eine halbe Armee zu töten. Als kleiner Junge hatte man Bobby immer eingeschärft, dass er sich von ihnen fernhalten sollte – nicht, dass man ihn extra dazu hätte auffordern müssen. Er hasste diese obszön hässlichen Pflanzen sowieso, und bald, wenn die Ranch sein Eigen wäre, würde er die ganze Plage mit dem größten Vergnügen niederbrennen lassen.
Der Jeep hielt vor den Ställen, und Bobby stieg aus. Ungefähr ein Dutzend Gebäude war L-förmig um einen Paddock herum angeordnet. Dahinter, auf den Hügeln, hatte sein Vater auf dem lehmigen Boden mitten in Afrika eine fast fünf Kilometer lange Rennbahn errichten lassen, die auch nicht schlechter aussah als ihr berühmtes Vorbild in Newmarket. Manche hatten gemeint, so etwas sei unmöglich – aber andererseits baute man ja auch nicht Kenias größte private Ingenieursfirma auf, ohne zu wissen, wie man etwas aus dem puren Nichts schaffen konnte.
Clay Spurling, ein
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