Die Spur der Hyäne: Thriller (German Edition)
Schüsse losgingen und die Kugeln in die Wellblechwände der Hütte einschlugen.
Er ignorierte die Rufe und rannte blindlings weiter. Dann schlugen die Kugeln donnernd in den Stamm einer Palme ein, kaum dreißig Zentimeter neben seinem Kopf.
Du lieber Gott, die wollten ihn wirklich umbringen.
Während er durch das unwegsame Unterholz und übelriechenden Mangrovensumpf um sein Leben rannte, ohne zu wissen, wohin er lief und warum man ihn überhaupt töten wollte, weinte Alex Hopper in purem Grauen und wünschte sich, seine Mutter wäre hier, damit alles wieder gut wurde. Doch Alex war nur ein kleiner Internatsschüler in einem großen bösen Land – und seine Mama kam nicht, um ihn zu retten.
Fünfter Tag
36
D as Hochsicherheitsgefängnis Shimo la Tewa acht Kilometer nördlich von Mombasa genießt den wohlverdienten Ruf, eine der härtesten Justizvollzugsanstalten von ganz Kenia zu sein. Man erzählt sich, wer hinter ihren grauen Betonmauern und dem Stacheldraht nicht von den Wachen oder seinen Mitgefangenen umgebracht wird, den erledigt mit allergrößter Wahrscheinlichkeit Durchfall, Typhus, Tuberkulose oder Aids. Die Anstalt ist chronisch überbelegt, gefoltert wird systematisch, Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung. Ebenso abgestandenes Trinkwasser, verdorbenes Essen. Jeweils fünf Insassen müssen sich eine Zelle teilen, und die Männer leiden fast grundsätzlich an Unterernährung. Viele von ihnen sind heimtückische Mörder, die ihr Leben lang die Freiheit nicht wiedererlangen werden. Doch noch viel mehr sind hier wegen Verbrechen, die sie überhaupt nicht begangen haben – ihr einziges Vergehen besteht darin, bettelarm und in den Augen des Staates völlig wertlos gewesen zu sein. Es heißt, es in Shimo la Tewa gebe es nur ein Schicksal, das noch schlimmer ist als der Tod: das Überleben.
Es war noch gar nicht allzu lange her, dass Conrad Getty in seiner Schublade in seinem Büro im Marlin Bay Hotel eine geladene Waffe aufbewahrt hatte, für den Fall, dass die Polizei kam, um ihn festzunehmen. Sich eine Kugel in den Schädel zu jagen, war fraglos besser, als sich in einem Loch wie Shimo la Tewa einkerkern zu lassen. Allein der Gedanke, eingesperrt zu werden wie ein Tier, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.
Doch das Leben spielte immer wieder ganz anders, als man meinte! In den vierzehn Tagen seiner Untersuchungshaft, während er auf einen Prozess wartete, in dem er des Kindesmissbrauchs in dreihundert Fällen, des Menschenhandels, der Verschwörung und des Mordes angeklagt werden sollte, war es Getty besser gegangen als je zuvor. Natürlich war seine Zelle eng und voller Kakerlaken – aber sie hatte ein Bett, einen kleinen Schreibtisch und einen Stuhl, und immerhin war er in Einzelhaft, weit weg von der brodelnden, sodomitischen Menschenmasse, die ansonsten in diesem Gefängnis saß. Dank der Tatsache, dass das FBI ihm einen gewissen Wert beimaß, wurde er geradezu zuvorkommend behandelt. Was es ihm nur noch mehr versüßte, ihren Frust zu beobachten. Er konnte sich ein selbstzufriedenes Grinsen nicht verkneifen, wenn er an Special Agent Brysons kaum verhohlene Wut dachte, als jeder seiner Vorstöße sofort von Gettys Anwaltsteam blockiert wurde. Ja, diese Anwälte waren teuer – aber in Conrad Gettys Augen waren sie jeden Penny wert, wenn sie die Versuche des FBI verhinderten, seine Auslieferung an die USA zu erwirken. Er wusste nur zu gut, dass er seinen Prozess in den Staaten bei weitem nicht so leicht würde manipulieren können wie hier in Kenia.
Die Anwälte waren überzeugt, dass das FBI nicht den Funken einer Chance hatte, sich die nötigen Papiere ohne eine lange, kostenintensive juristische Schlacht zu besorgen. Und unter vier Augen hatten sie ihm anvertraut, dass er – wenn er die richtigen Anreize bot – bei einem kenianischen Richter mit einem Urteil von weniger als fünf Jahren rechnen konnte. Mit einer Verständigung im Strafverfahren und guter Führung würde er nach maximal drei Jahren wieder auf freiem Fuß sein. Sein Hotel, das Marlin Bay, war auf dem freien Markt mindestens fünf oder sechs Millionen wert, also konnte er auch den Rest seines Lebens noch so genießen, wie er es gewöhnt war.
Trotz aller Unannehmlichkeiten der Haft hegte Getty mittlerweile keine Zweifel mehr, dass er diese Prüfung durchstehen würde. Vor allem, wenn seine Anwälte ihm weiter seine Vorzugsbehandlung sicherten – frisches Wasser, Zugang zu einem Bad, regelmäßige
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