Die Spur der Hyäne: Thriller (German Edition)
seinem Futteral und stieß es mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung unter Conrad Gettys Hinterhauptbein in den Zwischenraum zwischen zweitem und drittem Wirbel, wo die Klinge das Rückenmark durchtrennte. Als Getty unwillkürlich das Kinn hob, schien sein Gesichtsausdruck fast ein glückseliges Staunen zu sein, aber das war nur ein Krampf. In Wirklichkeit war er schon seit zwei Sekunden tot. Sanft zog der Geist das Messer wieder heraus, legte Gettys Leiche auf die Pritsche, schloss ihm die Augen und deckte ihn mit einer dünnen Decke zu.
Erst um die Mittagszeit entdeckte der Wächter, dass der Gefangene in der Einzelzelle nicht schlief. Doch da genoss der Geist auf der Hotelveranda bereits eine leichte Mahlzeit aus Fächerfisch und überlegte, wie er den Rest des Tages verbringen sollte. In der Coastal Weekly News hatte er einen Artikel über eine Ausstellung von Handwerkskunst der Mijikenda entdeckt, einem der neun Stämme der kenianischen Küstenregion. Die Ausstellung war in der Haller Nature Reserve zu betrachten, ein wenig außerhalb von Mombasa. Nach Angaben des Journalisten sollte man sie nicht verpassen, denn sie gewährte einen faszinierenden Einblick in eine Tradition, die wahrscheinlich bald aussterben würde.
Der Beruf eines Auftragskillers brachte viele Reisen in die seltsamsten Winkel der Erde mit sich. Trotzdem zogen es manche vor, sich in ihrem Hotelzimmer einzuschließen und abzuwarten, bis das Telefon klingelte. Der Geist hingegen legte Wert darauf, dass er auch ein wenig von der örtlichen Kultur mitbekam.
Solche Gelegenheiten konnte man doch nicht ungenutzt verstreichen lassen.
37
I nspector Oliver Mugo, bis vor kurzem noch ein kleines Licht in Malindi und nun skandalöserweise bei der Polizei in der Provinz Nyanza, war frühmorgens mit einem Shuttleflug aus Kisumu angekommen. Jetzt saß er in Joumas Büro und hatte die polierten Halbstiefel auf dessen Schreibtisch gelegt.
»Guten Morgen, Daniel!« Er strahlte Jouma über den oberen Rand seiner Zeitung an, als dieser das Zimmer betrat. »Ich hatte schon gedacht, Sie tauchen gar nicht mehr auf!«
Jouma betrachtete ihn wie jemand, der einen Einbrecher in seinem Lieblingssessel im Wohnzimmer vorfindet. »Hat man Ihnen denn kein Büro zugeteilt?«, fragte er. »Ich dachte immer, so große Ermittler haben zumindest ein eigenes Büro.«
Mugo lächelte. »Wenn ich das richtig verstanden habe, wird gerade eines für mich vorbereitet. Superintendent Simba hat vorgeschlagen, dass ich bis dahin Ihres benutze.«
Joumas Augen verengten sich, als er ihn anfunkelte. »Dann nehmen Sie Ihre Stiefel von meinem Schreibtisch.«
Wie ein zerstrittenes Paar, das sich auf einer Party zusammenreißt und Harmonie vorspielt, machten sich die beiden Ermittler daran, Lol Quarries letzte bekannte Bewegungen nachzuvollziehen.
»Ich weiß, das muss sehr schwer für Sie sein, Daniel«, sagte Mugo und legte Jouma eine Bärenpranke auf die Schulter. Seine Fingernägel waren perfekt manikürt und auf Hochglanz poliert. »Aber wenn es Sie tröstet – in der Provinz Nyanza spricht man mit großem Respekt von Ihnen.«
Er hat sich kein bisschen verändert, dachte Jouma. Der borstige Schnurrbart, der rasierte Schädel auf dem fetten Hals, das Benehmen eines arroganten Gockels. Er löste Mugos Wurstfinger von seinem Anzug.
»Bitte sparen Sie sich Ihre joviale Herablassung, Mugo«, zischte er. »Jeder weiß, dass Sie Strafzettel an Parksünder verteilen würden, statt hier den Inspector zu spielen, wenn Ihre Schwester nicht zufällig mit dem Bürgermeister verheiratet wäre.«
Mugo richtete sich auf, so dass die gepolsterten Schultern seines zweireihigen Hugo-Boss-Anzugs beinahe das ganze Sonnenlicht verdeckten, das durchs Fenster fiel. Einen Moment hoffte Jouma, dass der Halunke ihn einfach schlagen würde, denn dann wäre diese ganze unselige Geschichte ganz rasch erledigt gewesen.
Doch Mugo hätte nicht so lange überlebt, wenn er nicht einen gewissen Selbsterhaltungstrieb entwickelt hätte. Er zeigte sein zahnlückiges Lächeln und gluckste nachsichtig.
»Ich weiß, Sie sind ein viel beschäftigter Mann, Daniel«, sagte er. »Und ich weiß es zu schätzen, dass Sie mich in diesem Fall unterstützen. Ich habe Ihren Bericht über diesen unglücklichen Vorfall gelesen und muss Sie für Ihre Professionalität wirklich loben.«
»Ich fühle mich geehrt.«
»Aber nehmen Sie es mir bitte nicht übel, wenn ich sage, dass Professionalität oft einige Wünsche
Weitere Kostenlose Bücher