Die Spur der Hyäne: Thriller (German Edition)
Steinröhren leitete, bis der Dreck durch ein Loch in der Mauer über dem Hafen abfloss. Im späten neunzehnten Jahrhundert arbeiteten britische Ingenieure dieses System zu einem Labyrinth von gemauerten Kanälen unter dem Fort aus. Als das Gefängnis in den fünfziger Jahren geschlossen und das Fort in ein Museum umgewandelt wurde, wurde auch die viktorianische Kanalisation stillgelegt. Vor den ehemaligen Abtritten trafen sich nun die Touristen, und der Eingang zu den Tunneln in der Nähe der San Felipe Bastion wurde zugemauert und geriet in Vergessenheit.
Ein Arbeiter mit Pressluftbohrer brauchte nicht mal eine Minute, um diese Mauer zu durchbrechen und nach fünfzig Jahren zum ersten Mal den Blick auf einen Zugang freizugeben, der aus dem Felsenfundament des Forts gehauen worden war. Die Kammer mochte vielleicht anderthalb Meter im Quadrat messen und wies eine hölzerne Falltür auf, durch die man Wasser geschüttet hatte, wenn die Kanalisation verstopft war oder der Gestank unerträglich wurde.
Hier hatte die Kreatur ihren Schlupfwinkel.
Von hier konnte sie sich frei durch das moderne Abwassersystem Mombasas bewegen und durch die nicht mehr benutzten Kanäle unter dem Fort. Es war das perfekte Versteck, denn niemand wusste von seiner Existenz. Nach fünfzig Jahren hatte sogar der Kurator des Museums diese Tunnel aus Viktorianischer Zeit vergessen.
»Wie es aussieht, wurden die Opfer mit der Injektion eines Nervengifts bewegungsunfähig gemacht, bevor sie durch den Gully hinuntertransportiert wurden«, erklärte Jouma. »Dann wurden sie in die Tunnel unter dem Fort geschleift, wo sie …«
» … aufgehängt und gefoltert wurden«, vervollständigte Superintendent Simba seinen Satz.
»So war es wohl geplant, ja.«
»Bei der Nonne aus Jalawi hat es ja auch funktioniert. Und ich habe keinen Zweifel, dass Mr.Spurling ein ähnliches Schicksal erwartet hätte, wenn Sie nicht gewesen wären. Aber was ist mit Mr.Quarrie? Ich gehe doch davon aus, dass der Junge, von dem dieser Tischler erzählt hat …«
» … dieses Wesen gewesen sein muss. Der alte Mr.Mukhtar muss beobachtet haben, wie es Mr.Quarrie in die Gasse lockte. Dort hat es ihm die Spritze verpasst und ihn in die Kanalisation gezogen.«
»Und das Klonk ?«
»Das war der Gullydeckel, der an seinen Platz gezogen wurde.«
»Diese … Kreatur muss ja unglaubliche Kräfte besitzen.«
Jouma dachte an die winzige, rattenartige Gestalt, die er für den Bruchteil einer Sekunde erspäht hatte, bevor sie in die Dunkelheit davonhuschte. »Oder eine unglaubliche Entschlossenheit«, meinte er. »Wie Mr.Quarrie.«
Nachdem er selbst in diesen Höllentunneln gewesen war, konnte Jouma nur Vermutungen über Quarries Selbsterhaltungstrieb anstellen. Der pensionierte Polizist aus Ulster musste im Stockfinstern, trotz der schwächenden Wirkung des giftigen Spirochin, stundenlang in diesem Labyrinth aus Tunneln herumgekrochen sein, bis ein schwacher Hauch von frischer Luft ihn in einen Bereich hinter den Schlafbaracken leitete, wo das viktorianische Mauerwerk aufgrund ungeschickt durchgeführter Reparaturarbeiten leicht nachgab. Quarrie musste den Schutt mit den Fingern beiseitegeschaufelt und sich seinen Weg nach draußen freigegraben haben.
Es war ein fast unerträglicher Gedanke, wenn man sich vorstellte, wie er durch die Festung stolperte und vergebens um Hilfe rief, bis er irgendwann ins Leere trat und in den Tod stürzte.
»Womit haben wir es hier zu tun, Daniel?«, seufzte Elizabeth Simba.
»Ich weiß es nicht.«
Die beiden spähten in die Kammer hinab. Nach dem zu urteilen, was sie dort sahen, hatte das Geschöpf wenig Ansprüche: eine Decke, ein wenig Brot und Trockenfleisch, eine Schüssel Wasser und ein Liter Kerosin für die Lampen.
Außerdem stand dort ein Jutesack mit getrockneten Kräutern und Rinde sowie kleine, getöpferte Tiegel mit diversen klebrigen Tränken mit stechendem Geruch. Wissenschaftliche Untersuchungen sollten wenig später die Natur dieser Substanzen bestätigen, ebenso wie die Testergebnisse von Bobby Spurlings Blutproben. Die von den Ratten benagten Überreste von Schwester Gudrun waren schon zu stark verwest, als dass man noch irgendetwas mit ihnen hätte anfangen können, abgesehen von einem eiligen christlichen Begräbnis.
»Nach welchem Prinzip wurden die Opfer ausgewählt?«, wollte Elizabeth Simba wissen.
»Es gibt keine erkennbare Verbindung«, gab Jouma zu. »Ich glaube, um dieses Rätsel zu lösen, müssen wir die
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