Die Spur der Kinder
Oberkellner Jamal mit strahlendem Lächeln. »Einen Espresso für die signorina ?«
Die vielen Zähne in seinem breiten Lächeln blitzten sie an.
»Danke, nein«, entgegnete Fiona.
»Wo steckt eigentlich Ihr Mann? Wollte er nicht längst zurück sein?«, erkundigte sich der Oberkellner.
Eine durchaus berechtigte Frage, fand Fiona. »Er bleibt noch ein paar Tage länger als geplant in Frankreich«, log sie, um sich unnötige Diskussionen zu ersparen. Augenblicklich hatte sie weder Lust noch Kraft, vor versammelter Mannschaft die Wahrheit preiszugeben. »Verraten Sie mir, wo der Schlüssel zu Adrians Büro liegt?«
»Der Schlüssel, äh … keine Ahnung.«
Fiona blinzelte verwirrt. »Was soll das heißen?«
Jamals überfreundliches Lächeln schwand abrupt. »Tut mir echt leid, aber signore Riedel hat strengstens angeordnet, dass …«
»EntwederSie schließen jetzt diese Bürotür auf, oder ich lasse sie aufbrechen«, entfuhr es Fiona mit ausdrucksloser Miene.
»Okay, okay«, erwiderte Jamal mit erhobenen Händen. »Ist denn irgendwas nicht in Ordnung?«
Fiona sparte sich eine Antwort.
Schweigend ging Jamal in die Personalumkleide und kam wenig später mit einer leeren Champagnerflasche zurück, aus der er einen Schlüssel in seine Hand schüttete. Dann sperrte er die Bürotür auf.
Fiona betrat den Raum und schloss die Tür hinter sich.
Ihr Blick streifte Adrians Laptop, die Papierberge auf dem Schreibtisch, das dunkle Jackett, das über dem Stuhl hing. Alles in diesem Raum schrie förmlich nach Adrian, und es dauerte eine Weile, ehe Fiona begriff, was sie hier augenblicklich tat. Sie kämpfte mit den Tränen und zwang sich, die Gedanken an Adrian für einen Moment zu verdrängen, während sie rasch eine Schreibtischschublade nach der anderen aufzog und sämtliche Büroschränke durchforstete. Abgesehen von einem Stapel uralter Kreditkartenabrechnungen, förderte die Durchsuchung jedoch nicht den allerkleinsten Hinweis zutage, was Adrian mit Sophies Entführung zu tun haben könnte. Ratlos betrachtete Fiona das Chaos, das sie angerichtet hatte, und nahm schließlich Adrians Laptop in Augenschein. Sie setzte sich hinter den Schreibtisch und wartete, bisdas Apple-Zeichen auf dem Bildschirm erleuchtete. Die Maschine forderte sie auf, ein Passwort einzugeben. Fiona versuchte es mit Adrians Geburtsdatum. Ohne Erfolg. Dann tippte sie den Namen des Restaurants ein. Anschließend die Namen und Kosenamen sämtlicher Familienmitglieder. Wieder: LogIn failed, please enter the correct passwort.
Fiona dachte nach. Sie ging Geburtsdaten, Nummernschilder und sogar Urlaubsorte, an denen sie gewesen waren, im Kopf durch. Vergeblich. Ernüchtert sank sie im Stuhl zurück und gab es auf. Stattdessen überflog sie die alten Kreditkartenabrechnungen, die Adrian sich stets ins Büro hatte schicken lassen. Neben Abbuchungen von diversen Tankstellen, Restaurants und Supermärkten entdeckte Fiona Zahlungsabgänge sündhaft teurer Dessous-Boutiquen. An solcherlei Geschenke konnte sie sich allerdings beim besten Willen nicht erinnern.
Zu guter Letzt fiel ihr Augenmerk auf mehr als ein Dutzend Abbuchungen von ein und demselben Ausflugslokal im Spreewald, die überwiegend an jenen Tagen getätigt worden waren, an denen Adrian auf Sophie aufgepasst hatte.
Die Champagnerfrühstücke für sechsundfünfzig Euro dürfte er sich wohl kaum mit einer Zweijährigen geteilt haben. Deshalb also die vielen Ausflüge, die er so bereitwillig mit Sophie unternommen hatte.
Dieschmerzliche Erkenntnis trieb ihr erneut die Tränen in die Augen, da öffnete plötzlich jemand die Tür zum Büro.
Es war Rolf Jobst. »Klopf, klopf! Darf man reinkommen?«, fragte er, nachdem er bereits eingetreten war, und schien fast ein wenig überrascht, Fiona anzutreffen. »Ich dachte mir schon, dass du hier bist«, sagte er dennoch.
Rolf trug einen dunklen Nadelstreifenanzug, und hätte Fiona nicht gewusst, dass er Immobilienmakler war, so hätte sie ihn spätestens jetzt für einen gehalten. Dann sah Fiona hinter Rolfs wie immer gutgelaunter Fassade, dass auch er von den Ereignissen der vergangenen Tage gezeichnet war.
Mit ausgebreiteten Armen ging er auf Fiona zu. »Was passiert ist, tut mir so unendlich leid, Fiona.«
Fiona erhob sich und schloss die Augen, während sie dastand und Rolfs tröstende Umarmung genoss.
Er wich zurück und umfasste ihre Schulter. »Fiona, wenn ich irgendwas für dich tun kann, sei es wegen des Restaurants oder sonst etwas,
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