Die Spur der Schuld - Private L.A.: Thriller (German Edition)
einen Anfall oder so was. Sie hievten sie in den Van, dann stieg einer von ihnen auf den Fahrersitz, und sie fuhren weg. Ich habe der Polizei gesagt, wie der Fahrer aussah.«
»Wendy Borman wurde mit einem Elektroschocker überwältigt«, erklärte Justine. »Das war der Anfall. Und deine Mutter hat gar nichts gesehen?«
Christine schüttelte den Kopf. »Ich war mir ja selbst nicht sicher, was ich gesehen hatte. Es ging alles so rasend schnell. Ich erstarrte, und als sich meine Mutter umdrehte, um nach dem zu sehen, was ich gesehen hatte, war der Van schon weg. Sie glaubte mir nicht– oder wollte mir nicht glauben. Aber als im Fernsehen davon berichtet wurde, rief sie die Polizei an. Meine Mutter glaubte dem Fernsehen, aber nicht mir.«
Teenager gingen an unserem Tisch vorbei und starrten die Frau im Kostüm an, die ein ernstes Gespräch mit einem Mädchen ihrer Schule führte.
»Erzähl mir von dem Jungen– von demjenigen, dessen Gesicht du gesehen hast.«
»In der Zeichnung, die die Polizei angefertigt hat, ähnelte er ein bisschen Clark Kent in Superman. Aber in Wirklichkeit sah er anders aus. Hatte eine spitze Nase. Und abstehende Ohren. Ja, stimmt, er hatte abstehende Ohren.«
»Hast du die Autonummer erkennen können? Selbst eine oder zwei Zahlen wären schon hilfreich.«
Christine blickte nach oben links und durchsuchte ihre Erinnerung.
Die Schulklingel ertönte. Die Schüler erhoben sich geräuschvoll, einige streiften Justines Arm und warfen auf dem Weg zu den Mülleimern und zur Tür ihre Aktentasche um.
»Auf der Heckscheibe stand etwas geschrieben. ›Gateway‹. Wie die Computerfirma. Aber ohne die Kuhflecken.«
»Hast du das der Polizei erzählt?«
»Ich glaube, ja. Meine Mutter war halb durchgedreht. S ie w ollte so schnell wie möglich wieder weg von der Polizei.«
Justine sah dem Mädchen in die Augen, das ihrem Blick einen Moment lang standhielt. »Schauen wir mal, ob du die Schrift nachmalen kannst.« Justine reichte Christine ihr PDA und den Stift.
Christine sog ihre Unterlippe ein, während sie ein Oval und das Wort »Gateway« in unterschiedlich großen Buchstaben schrieb.
»Ich glaube, so sah es aus. Ich weiß nicht, warum ich mich daran so gut erinnere.«
Justine betrachtete die simple Zeichnung. Das Logo sah aus wie das einer Privatschule in Santa Monica mit Namen Gateway. Als bei der Stadt angestellte Psychologin war sie immer an der Gateway Prep vorbeigefahren, weil sie in der nahe gelegenen staatlichen Anstalt geisteskranke Kriminelle betreut hatte.
Sie erinnerte sich noch immer lebhaft an ihre Patienten, an diejenigen, die Häuser niedergebrannt, ihre Geschwister und Eltern getötet und Schulhöfe mit Sprengstoff in die Luft gejagt hatten. Es war eine grauenvolle und zersetzende Arbeit gewesen, die ihr die Denkweise der abscheulichsten Menschen auf Erden nahegebracht hatte.
Justine hatte damals über den Unterschied zwischen der staatlichen Schule und der Gateway Prep nachgedacht, die geografisch nur ein oder zwei Kilometer voneinander entfernt waren, aber zwischen denen trotzdem Welten lagen.
In Wendy Bormans Fallbuch stand nichts von einem Gateway-Schriftzug. Das war neu. Die Beschreibung des Gesichts war neu. Vielleicht handelte es sich um verwertbare Spuren. Wenn es dieselben Jungs waren.
»Könntest du diesen Jungen identifizieren, wenn du ihn noch einmal sehen würdest?«
»Ich könnte sein Gesicht nie vergessen.«
»Danke, Christine.« Justine gab ihr eine Visitenkarte. »Ruf mich an, wenn dir noch etwas einfällt. Wenn wir uns das nächste Mal sehen, sind wir uns nicht mehr fremd.«
70
Dies war noch ein Grund, warum Justine so gerne für Private arbeitete, besonders wenn es um einen Mordfall ging. In den städtischen Laboren dauerte eine DNA -Analyse wegen der langen Wartezeiten und der Überlastung eine Ewigkeit. Bei Private dauerte sie von Anfang bis Ende nur 24Stunden, weil das Labor Private gehörte und Wendy Borman ganz oben auf der Liste stand.
Das Kellergeschoss war um vier Uhr morgens in künstliches Licht getaucht. Scis Mannschaft hatte 24Stunden am Stück gearbeitet, nachdem Proben von Wendy Bormans Kleidern genommen worden waren, die fünf Jahre lang in der Asservatenkammer des LAPD gelegen hatten.
Die Kleider waren nach dem Fund der Leiche korrekt verpackt worden, doch sie waren von Regen und Müll verunreinigt. Allerdings hatte man seit dem Mord empfindlichere Geräte und eine neue Form der Spurenaufnahme entwickelt, die »Touch DNA «.
Sci
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