Die Spur der Schuld - Private L.A.: Thriller (German Edition)
gebracht.
Andys Heulen machte mich wütend. Das letzte Mal, als er so geschluchzt hatte, hatte ich seine Trauer gespürt. Jetzt musste ich mir eingestehen, dass mich mein langjähriger Freund an der Nase herumgeführt hatte.
Ich kannte Andy Cushman nicht mehr.
»Für einen Erbsenzähler bist du ein verdammt guter Schauspieler«, feixte ich. »Aber vielleicht übertreibst du im Moment ein bisschen.«
Er hörte auf zu schluchzen. »Bitte, Jack«, sagte er nüchtern, »du verstehst nicht, wie es war, im selben Haus mit ihr zu leben. Zu wissen, dass sie Drogen nahm und es mit anderen Männern trieb. Ich konnte nicht anders reagieren, konnte es aber nicht selbst tun. Ich habe sie geliebt, Jack. Ehrlich. Bitte, geh nicht zur Polizei.«
»Keine Sorge. Ich rufe die Polizei nicht an. Du bist mein Kunde, du Drecksack.«
»Und dein Freund?«
Der flehende Blick machte mich noch rasender. Statt zu antworten, verpasste ich ihm mit der Faust einen Schlag ins Gesicht. Er fiel mit dem Sessel nach hinten. Ich riss ihn samt Sessel wieder nach oben, trat ihn mit den Füßen, was auch immer ich traf: Beine, Nieren, Rippen. Ich kippte eine Dreihundert-Dollar-Flasche Scotch über seinem Kopf aus. Mir fiel nicht ein, was ich noch hätte sagen, noch hätte tun können, außer ihn umzubringen.
Andy Cushman, mein ehemaliger Kunde, mein ehemaliger Freund, weinte immer noch, als ich seine Suite verließ.
1 05
Dr. Sci wirbelte um die Ecke zu Justines Büro, umfasste den Türrahmen und lehnte sich fast waagerecht in die Öffnung wie eine Flagge im Wind. Es war zehn Uhr morgens, nachdem er die ganze Nacht an Justines beiden Gläsern gearbeitet hatte.
Justine legte ihre Hände flach auf den Schreibtisch und blickte forschend in Scis Babygesicht. Er war Wissenschaftler. Deswegen konnte er auch mit einer schlechten Nachricht ein glückliches Gesicht machen– weil er ein Problem gelöst hatte.
»Erzähl mir was Gutes«, bat Justine. »Bring mich zum Lächeln, Wunderknabe.«
»Ich habe gute und schlechte Nachrichten«, begann Sci.
Justine legte ihr Gesicht in die Hände. »Die schlechte zuerst.«
»Die gute Nachricht ist, ich habe die unbekannte männliche DNA isoliert. Sie passt zu der DNA , die wir an Wendy Bormans Kleidung gefunden haben.«
»Das ist die gute Nachricht?«, vergewisserte sich Justine. »Wir haben nur einen forensischen Treffer mit dieser männlichen DNA .«
»Genau, er ist immer noch unbekannt. Aber du hast den Mann gesehen. Er lebt und gedeiht in L. A.«
»Hör zu, Sci, eine gute Nachricht wäre, dass die DNA mit der von Rudolph Crocker übereinstimmt. Ich habe in der Bar direkt neben ihm gesessen. Ich habe sein Glas eingewickelt, als würde ich einem Küken Windeln anlegen. Seine DNA muss auf dem Glas sein.«
Sci betrat das Büro, setzte sich auf den Stuhl gegenüber von Justine und stützte sich mit seinen Flipflops seitlich an ihrem Schreibtisch ab. Die Farbe seiner blonden Strähnen wiederholte sich in seinem gelben Hawaiihemd. Er sah aus, als käme er gerade aus einem Surferladen in Venice Beach.
»Das Problem ist nicht, dass Rudolph Crockers DNA nicht auf dem Glas ist, sondern dass ich eine Allelesuppe habe. Ich kann Crocker zwar nicht von der Probe ausschließen, aber seine DNA auch nicht hundertprozentig mit der DNA auf Wendy Bormans Hemd in Übereinstimmung bringen. Es tut mir leid, Justine. Die Probe ist Mist.«
»Moment. Warte doch mal. Kannst du den Test nicht noch einmal durchführen und die DNA irgendwie isolieren?«
Sci beobachtete Justine bei dem Versuch, aus dem Ergebnis, das er ihr geliefert hatte, Hoffnung zu schöpfen. Er würde ihr ein eindeutiges Ergebnis liefern, wenn er könnte.
»Geht das nicht?«
»Nein. Vermutlich hatte der Barmann keine sauberen Gläser mehr«, überlegte Sci. »Er spülte eins im Spülbecken aus und gab es Crocker. Erst der Unbekannte, Crockers Begleiter, bekam ein sauberes Glas. Klingt das logisch?«
»Ich bekomme von Crocker keine andere Probe.« Justine klang verzweifelt. »Jedenfalls nicht rechtzeitig.«
»Wenn du nicht auf der Straße findest, was du brauchst, dann geh zu ihm nach Hause und hol es dir«, schlug Sci vor.
»Du meinst aber nicht, ich soll in seine Wohnung einbrechen? Ach, du meinst, ich soll mir einen Durchsuchungsbefehl besorgen.«
»Wenn das dein Weg ist.«
Mist, dachte Justine. Sie wählte Bobbys Nummer. Natürlich wusste sie die auswendig.
1 06
Justine seufzte und drehte sich auf ihrem Stuhl zum Fenster. Sci den Rücken zukehrend,
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