Die Spur der Woelfin
Schweigend saß er neben ihr,
während sie, so schnell es Wagen und Autobahn zuließen, Richtung Hamburg fuhr.
Und sie war auch nicht in der Stimmung, jetzt eine mehr oder weniger höfliche
Unterhaltung anzufangen. Stattdessen legte sie eine CD ein und drehte die
Lautstärke auf, um jegliches Gespräch im Keim zu ersticken.
Trotz ihres eher rasanten Fahrstils und nicht einer einzigen Pause kamen
sie erst nach zweieinhalb Stunden in Hamburg an. Und erst, als sie das große
Gebäude des Ab-flugterminals vor sich sah, konnte Laura zumindest einen Teil
ihrer Anspannung abschütteln. Zumindest genug, um wieder eine Unterhaltung
anzufangen.
»Was hat Patrick gesagt?«, fragte sie leise, während sie auf dem Weg zum
Schalter der Mietwagenfirma waren.
»Ich habe ihn nicht erreicht.«
Überrascht sah Laura ihn an. Er hatte ihn nicht erreicht? Bis jetzt
hatte sie immer geglaubt, dass keiner im Rudel eine Entscheidung träfe, ohne
sich vorher mit Patrick rückgesprochen zu haben. Dass Vince nun allerdings
eigenmächtig gehandelt zu haben schien, überraschte sie.
»Geht der Schoßhund etwa eigene Wege?«, konnte sie sich nicht verkneifen
und biss sich auf die Lippe, um nicht ihre Belustigung über seinen finsteren
Blick zu zeigen.
»Ich bin alt genug, um meine eigenen Entscheidungen zu treffen, Laura.
Und ich kenne Patrick mittlerweile lange genug, um zu wissen, dass auch er dich
unter diesen Umständen nicht fern des Rudels wissen will.« Seinem Ton war
deutlich anzuhören, dass sie ihn am Stolz gepackt
hatte. Offensichtlich war sie nicht die Erste, die ihn zu Patricks
Handlanger degradiert hatte. Augenblicklich tat es ihr Leid, ihn derart
verspottet zu haben.
»Ich wollte dich nicht beleidigen, Vince«, gestand sie reuig und
schenkte ihm ein entschuldigendes Lächeln, als er sie finster anstarrte.
Während des Fluges herrschte eine angespannte Stimmung. Vince schien
zwar nicht mehr wütend zu sein, doch auch an ihm waren die Ereignisse des
Morgens nicht spurlos vorübergegangen. Neben ihr saß plötzlich nicht mehr der
Mann, der sie unter allen Umständen aus dem Haus hatte treiben wollen, und auch
nicht mehr der Mann, den sie in Deutschland kennen gelernt hatte. Die über
ihnen schwebende Bedrohung hatte auch den letzten Rest seiner höflichen Fassade
schwinden lassen, und Laura fröstelte. Vince schien zu allem entschlossen, und
es war für sie ein Schock zu erkennen, dass er mehr als nur fähig schien, einen
Mord zu begehen, um die Sicherheit seines Alphas und des gesamten Rudels zu
gewährleisten. Und sie schluckte, als sie begriff, dass er sie darin mit
einbezog.
Schon in Deutschland war ihr aufgefallen, dass er wachsam jeden ihrer
Schritte verfolgte. Im Hexenkessel hatte sie es noch witzig gefunden, dass er
jedes Mal, wenn sie dort ankamen, den Raum mit Blicken nach möglichen Gefahren
absuchte. Doch jetzt war ihr der Witz dabei vergangen. Sie machte sich vor
Angst fast in die Hosen.
Sie hatte gesehen, was mit den D'Abots passiert war. Sie waren einfach
aus dem Nichts angegriffen worden. Es hatte keine Anzeichen dafür gegeben,
keine Warnung. Dave hatte sie umgebracht, weil ihm der Sinn danach gestanden
hatte. Und sie hatte Angst, was passieren würde, wenn er sie in die Finger bekam.
Als sie in New York ankamen, war Laura nicht mehr als ein zitterndes
Nervenbündel. Wie eine Puppe ließ sie sich von Vince zum Ausgang schieben und
war froh darüber, dass er nicht von ihrer Seite wich und sich um die
Formalitäten kümmerte. Er kümmerte sich um den Weiterflug und, er war es
schließlich, der sie in das Flughafenrestaurant zerrte, damit sie endlich etwas
aß. Während des gesamten Fluges hatte sie es nicht geschafft, etwas zu essen.
Die beiden Mahlzeiten, die ihnen serviert worden waren, hatte sie unbesehen an
Vince weitergereicht. Vor Anspannung war ihr endgültig der Appetit vergangen.
Vince hatte ihr das durchgehen lassen, doch in New York blieb er hartnäckig und
zwang sie schließlich, etwas zu essen.
Und erst hier erreichte er endlich Patrick. Schon in Hamburg hatte er es
immer wieder versucht, es aber aufgeben müssen, als der Aufruf für ihre
Maschine gekommen war. Doch kaum, dass sie im Restaurant saßen, versuchte er es
erneut, und diesmal hatte er mehr Glück. In knappen Sätzen erklärte er Patrick,
was vorgefallen war, und Laura, die zwar nicht die Worte verstand, erkannte an
Patricks Tonfall, dass er verärgert war. Mehr als nur verärgert.
Das Telefonat dauerte nicht lang. Patrick schien
Weitere Kostenlose Bücher