Die Spur der Woelfin
schlug er ihr vor, dass sie mittrinken und danach am Strand
schlafen könnte, bis sie meinte, wieder fahren zu können. Im ersten Moment
wollte Laura ablehnen, doch dann siegte ihre schlechtere Hälfte. Was war schon
dabei? Mit Gesche war sie oft bis zum Sonnenaufgang hier geblieben. Gut, da war
sie allerdings auch passend angezogen gewesen.
Sie hatte überhaupt nicht vorgehabt, so lange hier draußen zu sein.
Hatte sich so etwas auch gar nicht vorstellen können. Nicht mit Vince. Was zum
Teufel hätte sie mit einem Mann wie ihm auch die ganze Zeit über machen sollen?
Doch sie redeten tatsächlich. Und während sie ganz langsam, sinnig auch
den zweiten Träger leerten, bekam Laura das Gefühl, dass er sich für sie
interessierte. Beinahe schon schien es ihr, als wollte er wirklich den Versuch
machen, mit ihr auszukommen.
Hauptsächlich war sie es, die redete. Vince stellte Fragen und hörte ihr
zu, was Laura im ersten Moment verblüffte, dann aber erleichterte. Aus
irgendeinem Grund wollte sie ihm das alles erzählen. Sie wollte, dass er
erfuhr, wie es bei ihr zu Hause aussah, nachdem er schon die Spitze vom Eisberg
erlebt hatte. Und Vince machte es ihr leicht. Die Dunkelheit ließ ihn für Laura
zu kaum mehr als einem schwarzen Schemen werden, und mit der Dunkelheit verlor
sie auch den letzten Rest Scham.
»Wirst du Patrick alles erzählen? Oder wirst du schweigen, wie du es
beim letzten Mal versucht hast?«
Sie ahnte, dass er mehr sehen konnte als sie, und hob die Schultern.
»Ich weiß es nicht. Patrick hat so eine Art ... Nun, ich ertrage sein Mitleid
nicht.« Sie hörte, wie Vince einen tiefen Schluck aus der Flasche nahm, und
ließ betrübt ihre Stirn auf die angezogenen Knie sinken.
Vince sagte daraufhin nichts mehr, und Laura war ihm dankbar dafür. Wie
auch schon an dem Abend in New Orleans zog er es vor, sich jeglichen Kommentar
zu verkneifen. Laura wusste, dass sie in beiden Fällen weder Mitleid noch Spott
ertragen hätte. Und sie fand es faszinierend, dass ausgerechnet Vince das zu
verstehen schien.
Als es immer kälter wurde, rollte Laura sich ein. Sie hatte etwas zu
viel getrunken, bevor sie den Heimweg antreten konnte, würde sie wenigstens
eine Stunde schlafen müssen. Sicher, die Chance, um diese Uhrzeit noch auf
einen der wenigen Polizisten zu stoßen, war überaus gering, auch diese wollten
irgendwann ihre Ruhe haben. Doch sie war in dieser Hinsicht nicht wirklich
risikobereit.
Als sich etwas Großes über sie legte, schreckte Laura aus ihrem
Halbschlaf auf. Grob konnte sie Vince ausmachen und erkannte, dass er ihr
seinen Teil der Decke an sie abgetreten haben musste.
»Warum machst du das?«, fragte sie schläfrig und sah gegen das
Mondlicht, wie er die Schultern hob.
»Im Gegensatz zu dir werde ich mir keinen Schnupfen holen. Also werde
ich meinen Egoismus einmal zur Seite schieben.« Sie lachte leise und kuschelte
sich enger in die Decke, während Vince sich wieder neben ihr fallen ließ. Und
schon kurze Zeit später war sie eingeschlafen.
Laura wachte wieder auf, als die Sonne hell durch ihre Lider schien. Mit
einem Ruck setzte sie sich auf und sah auf Vince herab, der bei ihrer
hektischen Bewegung nun ebenfalls die Augen aufschlug.
»Warum zum Teufel hast du mich nicht geweckt?«, fuhr sie ihn an, und er
schüttelte grinsend den Kopf.
»Weil ich selbst geschlafen habe.« Fluchend kam Laura auf die Beine. Ihr
ganzer Körper war steif, und die Decke, unter der sie geschlafen hatte, begann
klamm zu werden. Die Sonne war gerade erst voll über den Horizont gestiegen,
und ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es erst halb fünf war. Hastig
sammelte sie die Sachen wieder zusammen und wartete ungeduldig, bis auch Vince
endlich fertig war.
»Was hast du für ein Problem? Niemand wird dir Vorhaltungen machen, weil
du nicht in deinem Bett geschlafen hast.« Im ersten Moment wollte sie
widersprechen, doch dann ging ihr auf, dass er Recht hatte. Vielleicht war sie
auch nur so verärgert, weil sie das nicht geplant hatte. Und vermutlich, weil
das Salz auf ihrer Haut zu jucken begann.
»Beeil dich, ich brauche eine Dusche«, schnappte sie schließlich und
machte sich auf den Weg zu ihrem Wagen. Sie war noch immer nicht ganz wach,
tröstete sich aber damit, dass sie in spätestens einer halben Stunde wieder in
ihrem Bett liegen würde.
Sie tat es nicht. Als sie auf den Hof fuhren, war alles ruhig, durch das
Holz des Tores gedämpft hörte sie lediglich das Scharren der Kühe
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