Die Spur des Blutes (German Edition)
auch nicht. Vor lauter Frustration und Angst lief sie schon im Kreis, auf Wegen, die Spears extra für sie gelegt hatte. Sie fühlte sich wie ein Hamster, der im Laufrad des Käfigs rannte und nie ankam.
Ihre Akten waren im Kofferraum ihres Wagens. Sie brauchte die über Spears für diese inoffizielle Ermittlung, die sie laut Burnett trotz der Warnung des FBI führen konnte. So sehr sie auch Burnetts Motiven trauen wollte … es fühlte sich trotzdem falsch an. Beeinflusste sein Bedürfnis, sie zu beschützen, sein Urteilsvermögen?
»Wir holen deinen Wagen auf dem Weg ins Büro.«
»Na gut.«
Jess ging vor ihnen die Treppen hinunter. So schnell, wie sich alles entwickelte, würden Gant und die Dienstaufsicht spätestens morgen so weit sein, dass sie mit dem Rücken zur Wand stand. Burnett konnte sich ihnen nur bis zu einem gewissen Punkt widersetzen … dann landete sein Rücken an derselben Wand.
Irgendwie musste sie Spears, oder wer immer es war, dazu zwingen, zu reagieren. Bisher war sie es gewesen, die reagiert hatte. Höchste Zeit, den Spieß umzudrehen. Sie wollte, dass er einen Fehler machte, ihr etwas in die Hand gab, um ihn zu finden.
Reifen quietschten. Jess blieb auf dem Gehweg stehen, als ein Nachrichten-Übertragungswagen schwankend am Straßenrand zum Halten kam. Zwei uniformierte Beamte rannten herbei, um die Invasion aufzuhalten.
Burnett packte sie am Ellbogen. »Geh einfach weiter.«
Als sie dort ankamen, wo der Gehweg auf die Straße traf, fing die Reporterin – nicht diese Gina – an, Burnett Fragen zuzurufen.
»Chief, ist es wahr, dass eines der Opfer lebend gefunden wurde? Ist es Detective Wells oder Belinda Howard?«
Burnett ging langsamer, um das zu sagen, was kein Reporter gerne hörte: »Kein Kommentar.«
»Machen Sie Fortschritte in dem Fall, Chief Burnett? Das FBI sagt, dies wäre nicht die Vorgehensweise des Spielers. Sind Sie derselben Ansicht?«
Zähneknirschend zwang sich Jess, einen Fuß vor den anderen zu setzen, um mit ihm mitzuhalten und sich nicht umzudrehen und die Reporterin zusammenzustauchen.
Die Frau war nicht so leicht abzuschütteln. »Was ist mit Ihnen, Agent Harris?«, rief sie, als sie weiter auf Burnetts SUV zugingen.
Jess zögerte.
Burnetts Miene war nicht misszuverstehen, trotzdem sagte er: »Nicht heute Abend, Jess.«
Sie begegnete seinem warnenden Blick mit einem drohenden. »Wenn nicht heute Abend, wann dann? Wenn Gant seinen Kopf durchsetzt und ich in Gewahrsam bin? Wenn es noch ein Opfer gibt?«
»Agent Harris, möchten Sie die Bürger von Birmingham nicht mit der Nachricht beruhigen, dass dieser Wahnsinnige bald gefasst werden wird?«, rief die Reporterin.
Jess entzog sich Burnetts Griff und drehte sich zu der Reporterin um. Er versuchte nicht, sie aufzuhalten … denn das würde im Fernsehen nicht gut aussehen.
Der Hurrikan, der in Jess’ Innerem tobte, legte sich mit einem Schlag, so als hätte das Auge des Sturms sie plötzlich geschluckt.
»Was wollen Sie ihnen sagen, Agent Harris? Möchten Sie dem Mann, der hinter den Entführungen steckt, wegen denen die Bürger von Birmingham sich nicht mehr aus ihren Häusern trauen, eine Nachricht schicken?«
Sie hielt Jess das Mikrofon vors Gesicht. Die Kamera zoomte auf sie.
»Ja, ich habe eine Nachricht für ihn.« Wut schoss durch ihre Adern. Sie starrte direkt in die Kamera. »Ich weiß, was du willst.« Wieder legte sich diese unheimliche Ruhe über ihre Umgebung, über sie. »Sei ein Mann, Feigling. Komm und hol mich.«
9
Dunbrooke Drive, Dienstag, 20. Juli, 0:54 Uhr
Dan nahm zwei Pepsi aus dem Kühlschrank, streckte den Nacken und ging wieder zu Jess ins Wohnzimmer. Auf dem ganzen Weg nach Hause hatte er ihr die Leviten gelesen. Er war so in Fahrt gewesen, dass sie noch einmal hatten umdrehen müssen, um ihren Wagen zu holen.
Was zum Teufel hatte sie sich dabei gedacht? Und warum zum Teufel hatte er sie nicht aufgehalten?
Auf dem Weg zurück, als er ihr allein in seinem Wagen hinterherfuhr, hatte er sich beruhigt. Dass sie den Fehdehandschuh ausgeworfen hatte, gefiel ihm zwar immer noch nicht, aber nun war es passiert. Vielleicht hatte sie ja recht. Vielleicht würde es wirklich einiges vereinfachen, den Täter zu einer Reaktion zu provozieren. Was immer auch dabei herauskam, eines war glasklar: Er hatte richtig gelegen mit seiner Einschätzung, dass er sie nicht aus den Augen lassen durfte.
Spears, oder wer immer zum Teufel hier am Werk war, hatte sie zu weit getrieben. Und jetzt
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