Die Spur des Blutes (German Edition)
bessere Chancen aufs Überleben hat?«
»Vielleicht … aber so weit würde ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht gehen. Die Tatsache, dass Howard überlebt hat, wie auch die Verletzungen, die sie erlitten hat, passen nicht zu seiner üblichen Vorgehensweise.« Sie schob die Fotos hin und her, suchte drei aus und reihte sie dann vor ihm auf. »Sieh selbst.«
Dan betrachtete jedes einzelne der Opfer des letzten Gemetzels des Spielers in Richmond. Die Leichen waren nackt, so, wie Howard es gewesen war, doch die Verletzungen waren erschreckend brutaler. Er hatte die Körper der Frauen buchstäblich zerstückelt, als wären sie eine Leinwand, auf der er seine perverse Kreativität ausleben konnte. Die Wunden an der Brust, ganz ähnlich wie die, die Howard aufwies, die Lippen … die Augen … die Finger und dann einen Weg weiter den Rest ihrer Körper herunter. Keine der Wunden schien besonders tief zu sein. Das Ziel war nicht gewesen, zu töten, zumindest vorerst nicht, sondern lange und qualvoll zu foltern.
Dan rutschte auf dem Stuhl hin und her und öffnete die obersten beiden Knöpfe seines Hemdes, um besser Luft zu bekommen. Obwohl der Spieler anscheinend verschiedene Foltertechniken anwendete – vermutlich abhängig davon, welche die meisten Schreie hervorrief –, war das Endresultat das gleiche: Die Opfer wurden vergewaltigt und ermordet. Wenn sie tot waren, wurden die Leichen akribisch gereinigt und an öffentlichen Orten abgelegt – dort, wo man es am wenigsten erwartete, auf einer Kirchenbank oder auch in einem öffentlichen Park –, ohne auch nur die kleinste Spur zu hinterlassen.
Jess tippte auf das Foto direkt vor ihm. »Siehst du, wie präzise er arbeitet? Die Entfernung der Brustwarzen sieht aus wie von einem Chirurgen durchgeführt, der ein Lifting macht. Außerdem zielt er auf die wichtigsten Nervenzentren. Siehst du den Schulterbereich, auf den er sich offenbar konzentriert hat? Und hier im oberen Bereich der Innenschenkel? Die Augen?« Sie lehnte sich zurück, distanzierte sich von den Fotos. »Er weiß, wie man Schmerz zufügt. Diese Kunst beherrscht er perfekt.«
Dan war übel. »Du sagtest, er würde ihre Ängste nutzen. Deswegen fragte er, wovor Detective Wells Angst hat.« Er schluckte gegen den Kloß im Hals an.
Jess beugte sich wieder vor und zeigte auf Male an einem der Opfer. »Schlangenbisse. Dutzende. Nur ein Biss war von einer giftigen Schlange. Das war die Todesursache. Aber alle anderen scheinen vor dem Tod zugefügt worden zu sein.« Sie legte ein anderes Foto vor ihn hin. »Bei dieser hier wurden Reste von Spinnen im Mageninhalt gefunden und sogar ein paar tief in ihrer Kehle. Wir glauben, dass er sie zwang, sie zu schlucken, vermutlich eine nach der andern. Todesursache: Herzinfarkt. Er hat sie buchstäblich zu Tode geängstigt. Die anderen Verletzungen waren nur zum Spaß.«
»Also …« Dan konnte nicht glauben, dass er das Folgende laut sagte. »Wenn wir von seinem bisherigen Tatmuster ausgehen und vom Zustand Belinda Howards, an der nichts festzustellen war, das auf Folter hindeutet, die eine bestimmte Angst auslöst … dann ist der Täter, mit dem wir es hier zu tun haben, nicht Spears oder der Spieler?«
Aber wenn er es nicht war, wer war er dann, verdammt?
Jess stemmte die Ellbogen auf den Tisch und legte das Kinn in die Hände. Eine Weile antwortete sie nicht. Sie war erst seit weniger als einer Woche zurück in Birmingham, und der Ärger mit Eric Spears hatte Wochen vorher begonnen. Sie war müde, angewidert und verängstigt – auch wenn sie Letzteres nie zugeben würde.
Er dachte daran, wie sie diesen Wahnsinnigen herausgefordert hatte, daran, dass es jetzt immer und immer wieder in den Nachrichten kommen würde. Sie würde alles tun, um ihn aufzuhalten. Und das machte ihm Angst.
»Selbst wenn wir erfahren sollten, dass Belinda Howard panische Angst vor einem Papierschnitt hatte«, sagte Jess schließlich, »passt es immer noch nicht in das Tatmuster des Spielers.« Wieder warf sie einen Blick auf die Fotos. »Von dem ausgehend, was wir bisher haben, wäre ich dumm zu glauben, dass er es ist.« Sie hob den Blick und sah ihn an. »Aber er
ist
es. Er muss es sein. Die Botschaften, die er mir geschickt hat, haben denselben Ton und Rhythmus. Darüber könnte ich ja noch hinwegsehen. Angenommen Gant hat recht, und es ist ein Nachahmungstäter, den der Medienhype in Richmond angezogen hat und der mich nun als Zielscheibe benutzt. Aber wir haben vier Augenzeugen, die
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