Die Spur des Blutes (German Edition)
alle eindeutig Eric Spears identifiziert haben.« Mit einem frustrierten Schnauben sortierte sie die Fotos und die Berichte wieder in den Stapel ein.
»Spears’ Gesicht sieht man überall in der ganzen Stadt«, sagte er, um ihr Mut zu machen. Das FBI war nicht glücklich darüber, aber daran waren die Blitzmeldung und die Flugblätter schuld. »Bei Sonnenaufgang wird dieser Typ, egal wer er ist, sich nicht mehr frei bewegen können.«
Sie hielt in ihren Versuchen, Ordnung in die Akte zu bringen, inne. »Das ist es ja, nicht wahr?« Sie schüttelte den Kopf. »
Egal wer der Typ ist
. Was, wenn ich nicht nur hierin unrecht habe, was, wenn ich die ganze Zeit falschgelegen habe, so, wie Gant es behauptet?«
Er fasste über den Tisch, nahm ihre Hand und drückte sie. »In Anbetracht dessen, dass dieser Typ genauso aussieht wie Spears, würde ich sagen, bis wir eine bessere Alternative haben, folgen wir deinem Instinkt. Das kann nicht falsch sein.«
»Das ist es ja gerade, was mich wahnsinnig macht. Das, worüber ich nicht hinwegsehen kann, obwohl alle anderen Fakten dieses Falles auf jemand anderes hindeuten.« Verzweifelt warf sie die Hände in die Luft. »Ich kann mir ja vorstellen, dass ein Zeuge bei der Identifizierung so sehr danebenliegt, aber vier? Es sei denn, er hat einen lang verschollenen Zwilling – und soweit wir wissen, hat er weder Geschwister noch Familie, geschweige denn einen Zwilling – oder einen Fan, der ihn so abgöttisch verehrt, dass er sich sogar die Mühe macht, sein Erscheinungsbild anzunehmen.«
»Sagen wir mal, er ist es, ohne jeden Zweifel«, schlug Dan vor. »Gibt es irgendetwas in seinem psychologischen Profil, das diese plötzliche Abweichung von seinen gewöhnlichen Methoden erklären könnte?«
Sie dachte einige Momente über die Frage nach. »Soziopathen wie Spears stehen unter einem immensen Zwang. Die meisten können diese Art von extremen Impulsen nicht kontrollieren, aber er hat lange und hart daran gearbeitet, hat sich wahrscheinlich mit körperlicher Misshandlung diszipliniert, um einen festen Level der Selbstbeherrschung halten zu können. Er weiß, was er will, was er haben muss, und er holt es sich dann, wenn der Zeitpunkt richtig ist, wenn er vorbereitet ist.« Sie misshandelte ihre üppige Unterlippe. »Er ist äußerst intelligent und in hohem Maße zwangsneurotisch, sodass alles perfekt sein muss. Methodisch. Präzise.«
Sie drückte sich von ihrem Stuhl hoch und begann wieder auf und ab zu gehen, die Arme um den Oberkörper geschlungen wie einen Schutzschild.
»Ich kann nur annehmen, dass er aus irgendeinem Grund durch die Interaktion mit mir abgelenkt ist und sich ganz auf das fixiert, was immer ich an mir habe, das ihn fasziniert. Diese Fixierung hat ihn dazu gebracht, rein impulsiv zu agieren, das ist eigentlich weit außerhalb seiner Komfortzone. Er macht Fehler, und dabei weiß er es besser. Trotzdem ist es ihm egal, weil sein Kontrollverlust so weit geht, dass er noch beim impulsiven Handeln das Gefühl hat, er hätte die Kontrolle, und das wäre genau das, was er beabsichtigt hat.«
Dan hatte selber das ein oder andere Mal impulsiv gehandelt. Vor zehn Jahren, als er Jess in diesem Publix zum ersten Mal seit Jahren zufällig traf … da hatte keiner von ihnen beiden kontrollieren können, was zwischen ihnen geschah.
Sie riss Dan aus seinen abschweifenden Gedanken, als sie stehenblieb und ihn ansah.
»Es ist möglich, dass er das zu seiner neuen Realität gemacht hat, um sich gegen das Gefühl von Unzulänglichkeit und die Versagensängste zu wehren, die ihn in der Vergangenheit gequält haben.« Ein Licht erhellte ihre Augen, als wäre diese Analyse eine Erleichterung, dann fiel ihr Gesicht in sich zusammen und legte sich in besorgte Falten. »Wenn das der Fall ist, dann ist er höchst labil, und schon die kleinste Kleinigkeit könnte genügen, damit er durchdreht. Was das für Folgen hätte, kann niemand sagen. Wer weiß, wie weit er geht, wenn er sich nicht mehr unter Kontrolle hat.«
»Das heißt, je länger wir brauchen, um ihn zu finden, desto gefährlicher könnte die Situation werden.«
Sie nickte, aber er bezweifelte, dass sie ihn wirklich gehört hatte; sie analysierte immer noch.
»Das Problem, das ich mit diesem Szenario habe, ist, dass Spears die ganze Zeit mit eiserner Hand an seiner einmal gefundenen Kontrolle festgehalten hat. Sonst wäre er nicht der wohlhabende Mann, der er heute ist. Ganz zu schweigen davon, dass er – sofern er,
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